Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte, hier bei einem Interview mit der Nachrichtenagentur dpa.
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Exklusiv-Interview
Bovenschulte vor Bremen-Wahl: „Die CDU macht es einem nicht leicht“
Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte im exklusiven Interview mit der Frankfurter Rundschau.
Bermen - Am 14. Mai wird in der Hansestadt die Bürgerschaft gewählt. Umfragen zu Bremen-Wahl sehen ein enges Rennen an der Spitze. Vor der Wahl spricht Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) über die Besonderheiten Bremens, über die CDU als schärfsten Konkurrenten und über mögliche Koalitionen nach der Wahl.
Herr Bovenschulte, neulich schrieb jemand, Bremen sei wie Berlin, nur kleiner. Können Sie mit diesem Vergleich etwas anfangen?
Nicht viel, denn Bremen hat eine ganz eigene hanseatische Tradition als Hafen- und Handelsstadt, die sich von der Berlins doch sehr unterscheidet. Aber richtig ist: Bremen ist vielfältig und weltoffen, da nehmen wir für uns dasselbe wie unsere Hauptstadt in Anspruch.
Die Bremer Politik gilt als vergleichsweise harmonisch. Man kennt sich, man schätzt sich, auch unter den Spitzenkandidat:innen. Fehlen da nicht die Ecken und Kanten, gerade im Wahlkampf?
Das politische Klima in Bremen ist in der Regel nicht von persönlichen Angriffen geprägt, das Sachliche steht im Vordergrund. Das hängt auch damit zusammen, dass man sich in einem Zwei-Städte-Staat häufig persönlich trifft. Trotzdem geigen wir uns, bei aller Höflichkeit, auch mal die Meinung. Das ist schon in normalen Zeiten so und in Wahlkampfzeiten wird sich erst recht nichts geschenkt.
Bremen-Wahl: Das Spitzenpersonal der Parteien im Überblick




Andreas Bovenschulte im Interview: Stabile Arbeit der Rot-Grün-Roten Koalition
Der Berlin-Vergleich zielt auf die politischen Verhältnisse. In Berlin hätte die Wahlverliererin Franziska Giffey eine Linkskoalition weiterführen können, jetzt wird ihre SPD dort voraussichtlich als Junior-Partnerin mit dem Wahlgewinner CDU koalieren. In Bremen hingegen regieren seit 2019 SPD, Grüne und Linke, obwohl die CDU stärkste Partei geworden ist. Welches Modell ist Ihnen sympathischer?
In Bremen hat es die CDU nach der letzten Wahl nicht geschafft, die von ihr gewollte Jamaika-Koalition mit Grünen und FDP auf die Beine zu stellen. Stattdessen hat sich Rot-Grün-Rot zusammengefunden und vier Jahre lang trotz Corona-Pandemie und Energiekrise stabil und unaufgeregt regiert. Das hat uns anfänglich kaum jemand zugetraut. Am Ende kommt es bei Koalitionen immer darauf an, mit wem man am besten inhaltlich zusammenarbeiten kann und ob die persönliche Chemie stimmt.
Mit wem stimmt die Chemie in Bremen, das am 14. Mai eine neue Bürgerschaft wählt? Wollen Sie Ihre Koalition weiterführen oder lieber nur mit den Grünen kooperieren?
Mein Ziel ist, dass die SPD die mit Abstand stärkste Partei wird und wir die Regierungsbildung in der Hand haben. Alles weitere wird vom konkreten Wahlergebnis abhängen.
Bremen-Wahl: „Die CDU macht es einem nicht leicht“
Schließen Sie eine Große Koalition mit der CDU aus?
Ich bin kein Freund der Ausschließeritis, auch wenn es einem die CDU nicht immer leicht macht an diesem Grundsatz festzuhalten.
Welche Themen sind im Wahlkampf zentral?
Wir brauchen eine Gesellschaft, die sozial denkt, die zusammenhält und die allen die gleichen Chancen gibt. Wir wollen gute Bildung und Ausbildung für alle, wir wollen eine starke Wirtschaft mit fairen Löhnen, wir wollen sichere und saubere Nachbarschaften und wir setzen auf Fortschritt durch Wissenschaft und Technik – auch um den Klimawandel zu bekämpfen.
Sicherheit ist nicht gerade ein typisch sozialdemokratisches Thema. Ist das eine Lehre aus der Berlin-Wahl, dieses Feld nicht zu vernachlässigen und der CDU zu überlassen?
Mit Ulrich Mäurer haben wir den dienstältesten Innensenator Deutschlands, der seit Jahren Sicherheit und Ordnung zum ureigenen sozialdemokratischen Thema macht. Natürlich mit einer aufgeklärten und liberalen Grundhaltung. Das Bekenntnis zu Vielfalt und Offenheit und das Bekenntnis zu einer starken und handlungsfähigen Polizei schließen sich für mich nicht aus sondern gehören zusammen.
Bremen ist nach wie vor hochverschuldet, steht bei den Bildungsausgaben pro Schüler und Jahr aber immerhin auf Platz vier im Bundesvergleich – nur Hamburg, Berlin und Bayern bieten mehr. In der vergangenen Woche war der Bildungsgipfel, es soll mehr Geld vom Bund geben. Darauf haben Sie gewartet?
Wir haben in Bremen im Bildungsbereich enorme Herausforderungen, weil 50 Prozent unserer Schülerinnen und Schüler von allen drei Risikofaktoren betroffen sind: Armut, Erwerbslosigkeit der Eltern und bildungsfernes Elternhaus. Das ist ein viel höherer Anteil als in allen anderen Bundesländern. Um das kompensieren zu können, brauchen wir sehr viele Ressourcen in unseren Schulen. Deshalb begrüße ich jedes zusätzliche finanzielle Engagement des Bundes.
Andreas Bovenschulte vor der Bremen-Wahl: Auch der Bund steht in Verantwortung
Weil es Bremen sonst gar nicht schaffen würde?
Weil auch der Bund in einer Verantwortung steht. Mir gefällt vor allem, dass zumindest ein Teil der Bundesförderung künftig nach tatsächlichem Bedarf auf die Länder verteilt werden soll - und nicht mit der Gießkanne nach Königsteiner Schlüssel. Das ist der richtige Ansatz. Dabei ist allerdings anzumerken, dass auch zusätzliches Geld derzeit nur eingeschränkt hilft, das Problem fehlender Fachkräfte schnell zu lösen. Wir haben Stand heute, auch aufgrund der Zuwanderung, rund 15.000 mehr Kinder und Jugendliche im Land Bremen als 2015. Und für die allermeisten davon mussten und müssen Kita- und Schulplätze geschaffen werden. Für ein Land mit 680.000 Einwohnern ist das eine Riesenherausforderung. Aber wir wollen die stemmen.
Wahlen in Bundesländern sind nie frei von überregionalen Themen wie dem Ukraine-Krieg. Sie sind seit 1984 Mitglied der SPD. Inwieweit mussten Sie angesichts der russischen Aggression in der Ukraine eigene Standpunkte überdenken, etwa den Blick auf Russland?
Ich finde es richtig, wie Bundeskanzler Olaf Scholz auf den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg reagiert: Umfassende politische, wirtschaftliche und militärische Unterstützung der Ukraine in enger Abstimmung mit unseren Verbündeten ohne selber Kriegspartei zu werden. Persönlich habe ich, das sage ich ganz offen, mit dem Überfall Russlands nicht gerechnet. Und ich habe mir vor Februar 2022 auch nicht vorstellen können, dass wir einmal in diesem Maße Waffen in ein Kriegsgebiet liefern würden.
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Bovenschulte über Ukraine-Krieg: „Die Grenze ist dort erreicht, wo die Nato Kriegspartei wird“
Aber wo ist die Grenze der Unterstützung? Nach den Panzern kommt der Ruf nach Kampfflugzeugen. Wie stehen Sie dazu?
Die Grenze ist dort erreicht, wo die Nato Kriegspartei wird. Deshalb finde ich es richtig, sich jeden Schritt genau zu überlegen und sich jeder schneidigen Kriegsrhetorik zu enthalten. Ich finde es sehr unglücklich, wenn gesagt wird, wir befinden uns im Krieg mit Russland …
… was die Außenministerin Annalena Baerbock gesagt hat. Sie hat den Satz wieder mehr oder minder einkassiert.
Mag sein, aber ich würde mir von unserer Außenministerin etwas mehr sprachliche Disziplin wünschen. Wer vom Krieg des Westens gegen Russland redet, handelt fahrlässig und macht sich am Ende Putins Sichtweise des Konflikts zu eigen.