„Alle 23 Minuten ein George Floyd“: Wut über Mord an Geflüchtetem in Brasilien

In Brasilien sorgt der Mord an einem kongolesischen Geflüchteten für Entsetzen. Inzwischen wurden mehrere Demonstrationen angekündigt.
Rio de Janeiro – Am Samstag (05.02.2022) werden Tausende von Demonstrant:innen in den Straßen Brasiliens erwartet. Grund ist die Ermordung eines jungen Geflüchteten aus Kongo, die auf Video festgehalten wurde. Die Aufnahmen haben eine landesweite Empörung und Wut über Rassismus und Hassverbrechen ausgelöst.
Das Opfer, Moïse Mugenyi Kabagambe, verließ seine Heimat in Bunia in der Demokratischen Republik Kongo vor elf Jahren, heißt es in einem Bericht der britischen Tageszeitung The Guardian. Tausende Kilometer entfernt fand sein Leben mit nur 24 Jahren ein jähes Ende, als er von mehreren Männern am Strand des Stadtteils Barra de Tijuca überfallen wurde.
Brasilien: Mord an Geflüchtetem ereignet sich in der Nähe eines exklusiven Hotels in Rio de Janeiro
Verwandte erklärten, dass Kabagambe vor Ort war, um 200 Real (etwa 33 Euro) unbezahlten Lohn einzufordern. Der 24-Jährige jobbte als inoffizielle Arbeitskraft in einer Strandbar. Nachdem es an der Bar vermutlich zu einem Streit gekommen war, wurde Kabagambe zu Boden geschlagen und dutzende Male mit Stöcken und Faustschlägen malträtiert. Dabei erlitt der junge Mann, dessen Füße und Hände nach dem Angriff gefesselt wurden, tödliche Verletzungen im Brustbereich.
Eine lokale Zeitung veröffentlichte Fotos von der Tat, die sich am 24. Januar 2021 nur einen Steinwurf von exklusiven Hotels und Appartments zugetragen hatte. „Feigheit. Brutalität. Grausamkeit“, lautete am folgenden Tag die Schlagzeile.
„Mein Cousin hat niemals jemandem etwas getan, er war immer am Lachen. Es ist abscheulich, es ist ein Albtraum“, sagte sein Cousin Chadrac Kembilu Nkusu, der nach der scheußlichen Attacke überlegt, in Kanada ein neues Leben anzufangen. Brasilien sei „eine Mutter, ein Land, das jeden willkommen heißt.“ Nkusu kann nicht verstehen, „wie eine Mutter einen ihrer so guten Söhne wie Moïse töten konnte“.
Aktivisten in Brasilien – „Wir werden andauernd getötet“
Die Entrüstung, die die Tat auslöste, zieht sich durch sämtliche Gesellschaftsschichten. „Brasilien ist ein gefährliches Land für uns schwarze Menschen. Nehmt euch in Acht!“, twitterte der prominente brasilianische Aktivist und Musiker Preto Zezé. Solche „bedauernswerten Szenen des Hasses und der Grausamkeit“ würden die Gefahren von Intoleranz, Rassismus und Xenophobie offenbaren, sagte Gilmar Mendes, ehemaliger Bundesstaatsanwalt.
Am Samstagmorgen wollen Aktivist:innen und Bürger:innen eine Kundgebung am Tatort veranstalten, zudem sind Demonstrationen in São Paulo, Recife, Belo Horizonte und Porto Alegre geplant. Aktivist Douglas Belchior, der die Proteste mitorgansiert, sagte: „Die barbarischen Morde an schwarzen Menschen ist beschämend üblich in Brasilien. Wir haben hier alle 23 Minuten einen Georg Floyd. Wir haben alle 23 Minuten einen Moïse. Wir werden andauernd getötet.“
Brasilien: Ehemaliger Präsident sieht Mitschuld bei Jair Bolsonaro
Bislang wurden drei Tatverdächtige nach dem Mord an Moïse Mugenyi Kabagambe verhaftet. Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro, der nur wenige Minuten vom Tatort entfernt ein Haus besitzt, hat sich nach beinahe zwei Wochen nach der Tat noch immer nicht geäußert. Der frühere linke Präsident Luiz Inácio Lula da Silva sieht genau dort das Problem. Ein solcher Vorfall sei „nicht menschlich“ und „das Resultat eines Landes, das von einem Faschisten regiert wird.“
„In den Nachrichten wäre kein Platz für andere Themen, wenn das einer weißen Person aus Europa oder der USA passiert wäre. Aber es war eine afrikanische Person aus dem Kongo – kein Problem, also“, sagte Aktivist Belchior. „Es ist krank und nicht zu tolerieren. Ich fühle große Wut, aber auch Trauer – weil nichts darauf hindeutet, dass genau das Gleiche bald nicht schon wieder passieren wird.“ (nak)