Brandanschlag auf Samuel Yeboah: Gespräch oder Geständnis?

Im Prozess um den Anschlag von Saarlouis bestreitet der Angeklagte, die Tat zugegeben zu haben
Die Frau, von der fast alles abhängen dürfte, ist eher unscheinbar. „Normal“ würde sie wahrscheinlich selbst über sich sagen. Als Heilerziehungspflegerin arbeitet die 51-Jährige, die Haare trägt sie als Bob, ihren froschgrünen Anorak legt sie lange nicht ab, als sie am Dienstag im Koblenzer Oberlandesgericht vernommen wird. Bodenständig wirkt sie, unprätentiös. Aber, auch das merkt man schnell, sie kann sich in Fahrt reden.
Diese Frau ist es, die dafür gesorgt hat, dass der rassistische Brandanschlag auf eine Geflüchtetenunterkunft in Saarlouis nach 31 Jahren doch noch vor Gericht gekommen ist. Seit November muss sich der frühere Neonazi-Skinhead Peter S. vor dem Staatsschutzsenat im rheinland-pfälzischen Koblenz verantworten, angeklagt von der Bundesanwaltschaft wegen des Vorwurfs des Mordes und des zwanzigfachen Mordversuchs.
Der Mann, genauso alt wie die Hauptbelastungszeugin, soll am frühen Morgen des 19. September 1991 Feuer in dem ehemaligen Gasthof „Weißes Rössl“ in Saarlouis gelegt haben. Der 27-jährige Ghanaer Samuel Yeboah starb damals in den Flammen. Die übrigen Bewohner konnten sich retten, einige aber nur, indem sie todesmutig aus dem Fenster sprangen.
Anschlag auf Samuel Yeboah: Der Angeklagte hat bestritten, etwas damit zu tun zu haben
Vor Gericht hat der Angeklagte bestritten, etwas mit diesem Anschlag zu tun gehabt zu haben. Gegenüber der Frau mit dem grünen Anorak soll er die Tat jedoch gestanden haben, vor mehr als 15 Jahren, bei einer Grillparty. So zeigte es die Zeugin an, nachdem sie 2019 im Internet von ungelösten Mordfällen im Saarland gelesen hatte.
„Ich lese das und denke: Das kann nicht sein. Ich weiß, wer’s war“, erzählt die Frau, als sie an diesem 16. Verhandlungstag vom Gericht befragt wird. Und sie berichtet, wie Peter S. sie bei jenem Grillfest im Sommer 2007 auf den Brandanschlag in Saarlouis angesprochen und dann unvermittelt jene Sätze gesagt habe, die ihn jetzt auf die Anklagebank gebracht haben: „Das war ich. Und sie haben mich nie erwischt.“
Warum er das ausgerechnet ihr gesagt habe? Keine Ahnung. Um sie zu beeindrucken vielleicht. Die meisten der rund ein halbes Dutzend Anwesenden seien ja Rechte gewesen, sagt die Zeugin. Sie selbst allerdings nicht. Und warum habe sie so lange gewartet, bis sie zur Polizei gegangen sei? Sie habe erst gedacht, das sei alles nur „dummes Geschwätz“ gewesen. Peter S., der auf sie so „harmlos, höflich, ruhig“ gewirkt habe, habe sie eine solche Tat nicht zugetraut, sagt sie. „Er machte keinen aggressiven Eindruck.“
Und: Erst durch die Artikel über die saarländischen „Cold Cases“ sei ihr klar geworden, dass in den Flammen ein Mensch gestorben sei. Trotzdem habe sie danach noch zwei Tage grübeln müssen, bis sie sich zur Anzeige durchgerungen habe. „Wenn Sie’s nicht gemacht hätten, säßen wir jetzt nicht hier“, sagt Senatsvorsitzender Konrad Leitges. „Tja“, antwortet die Zeugin. Man weiß nicht, ob das stolz klingt.
Anschlag auf Yeboah: Für den Prozess gibt es Termine bis Mitte April
Bevor die Frau am Morgen den Gerichtssaal betritt, hat der Angeklagte seine Version des Grillabends geschildert. Demnach habe nicht er die Sprache auf den Anschlag gebracht, sondern der Gastgeber. „Das ist einer, der gerne stichelt“, sagt Peter S. „Er hat plötzlich gesagt, ich wüsste doch, wer’s war, und könnte mir die Belohnung holen.“ Unangenehm sei ihm das gewesen, erklärt der Angeklagte, er habe irgendwie abzulenken versucht. „Vielleicht habe ich einen blöden Witz gemacht.“ Aber auf keinen Fall ein Geständnis abgelegt.
Stundenlang wird die Hauptbelastungszeugin vom Gericht befragt. Minutiös versucht der Senat, Mutmaßungen von Erinnerungen zu trennen, geht selbst kleinsten Abweichungen zwischen den vielen polizeilichen Vernehmungen der Frau nach. Der Verteidigung aber ist das alles zu zahm. „Die Zeugin verwickelt sich permanent in Widersprüche“, grätscht Rechtsanwalt Guido Britz irgendwann dazwischen und beanstandet die Befragungstechnik des Gerichts schließlich sogar förmlich. Die Beschwerde scheitert zwar, aber das Zeichen ist gesetzt: Ab jetzt wird hier mit härteren Bandagen gekämpft.
Für den Prozess sind bislang noch Termine bis Mitte April angesetzt.