Bisher sind insgesamt sieben Länder offiziell EU-Beitrittskandidaten: die Türkei, Nordmazedonien, Montenegro, Serbien und Albanien sowie die Ukraine und Moldau, denen die EU diesen Status im Juni gewährt hatte. Bis zu einer Aufnahme aller Länder können aber dennoch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte vergehen.
Aus deutschen Regierungskreisen hieß es, dass „wir die Verleihung des Kandidatenstatus an Bosnien-Herzegowina begrüßen“. Es seien aber noch „substanzielle Reformen“ nötig, bevor die Beitrittsverhandlungen beginnen könnten. Europa-Staatsministerin Anna Lührmann erklärte in Brüssel vor Journalisten, die politischen Akteure im Land zeigten, dass sie „deutlich bereit sind, auf dem Weg in die EU auch die nötigen Reformen anzustoßen“.
Lührmann unterstrich insbesondere die Wahlen von Staatspräsidium und Parlament in Bosnien Anfang Oktober. Es sei gelungen, diese „in einem fairen und freien Umfeld abzuhalten, um eine Regierung zu bilden“.
In der Republika Srpska, der serbisch-kontrollierten Teilrepublik Bosnien-Herzegowinas, waren die Wahlen jedoch von Betrugsvorwürfen gegen den serbisch-nationalistischen Hardliner Milorad Dodik überschattet. Dodik, der als Verbündeter des russischen Präsidenten Wladimir Putin gilt, wurde nach einer Neuauszählung schließlich Ende Oktober als Sieger bestätigt.
Die mangelnde Stabilität in Bosnien-Herzegowina gilt seit Längerem als problematisch. Das Land ist aufgeteilt in die überwiegend von bosnischen Serben bewohnte Republika Srpska und die Föderation Bosnien und Herzegowina, in der mehrheitlich muslimische Bosniaken sowie Kroaten wohnen. Die Zentralregierung wird häufig von Konflikten gelähmt.
Das komplexe und wenig funktionsfähige politische System des Landes basiert auf dem Dayton-Abkommen von 1995, mit dem der Bosnien-Krieg der 90er Jahre mit 100.000 Toten beendet worden war. Seit 1995 ernennt zudem der UN-Sicherheitsrat einen Hohen Repräsentanten, der die Umsetzung des Dayton-Abkommens überwacht. Derzeit hat der Deutsche Christian Schmidt das Amt inne.
Seit einiger Zeit gibt es Abspaltungsbestrebungen in der Republika Srpska. Russland unterstützt diese Bestrebungen. Die nun auf den Weg gebrachte Gewährung des EU-Beitrittskandidatenstatus für Sarajevo wird daher auch als Signal an Kreml-Chef Putin gewertet - ebenso wie bei den entsprechenden Entscheidungen zugunsten der Ukraine und Moldaus.
Vor der Entscheidung der EU-Europaminister hatten sich in bosnischen Medien sowohl serbische als auch der bosnisch-kroatische Vertreter der Zentralregierung in Sarajevo positiv zur Anerkennung des Beitrittskandidaten-Status geäußert. Einer Umfrage aus dem August zufolge befürworten mehr als 90 Prozent der Bewohner der bosnisch-kroatischen Föderation einen Beitritt zur EU, in der Republika Srpska sind es nur 54,5 Prozent. (Erkan Pehlivan/AFP/dpa)