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„Die Party ist vorbei“: Boris Johnson verliert Nachwahl und steht mächtig unter Druck

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Von: Stefan Krieger

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Die konservative Tory-Partei des britischen Premierministers Boris Johnson muss bei einer Nachwahl zum Unterhaus eine schwere Schlappe hinnehmen.

London - Erneut eine herbe Niederlage für Großbritanniens Premierminister Boris Johnson. Die konservative Tory-Partei hat im ländlichen Wahlkreis North Shropshire in Mittelengland, seit Jahrzehnten eine Hochburg der Tories, eine Wahlniederlage einstecken müssen. Bei der Wahl eroberte die Liberaldemokratin Helen Morgan das Mandat, wie am Freitag (17.12.2021) offiziell bekannt gegeben wurde. Der ohnehin parteiintern und in der Öffentlichkeit massiv unter Druck stehende Johnson sieht sich nun der wachsenden Gefahr einer Parteirevolte ausgesetzt.

Morgan erzielte 47 Prozent der Stimmen und einen Vorsprung von fast 6000 Stimmen gegenüber dem konservativen Kandidaten. Die Wähler hätten eine klare Botschaft an Johnson gerichtet: „Die Party ist vorbei“, sagte die Liberaldemokratin nach ihrem Wahltriumph nach Angaben der Nachrichtenagentur afp. „Ihre Regierung, die von Lügen und Prahlereien geleitet wird, wird nun die Rechnung begleichen müssen.“

Niederlage für Boris Johnson: „Noch ein Schlag und er ist raus“

Der konservative Abgeordnete Owen Paterson musste nach gut 24 Jahren im Parlament wegen einer Lobbyismus-Affäre zurücktreten. Deshalb war die Nachwahl in North Shropshire angesetzt worden. Boris Johnson hatte sich Anfang November in die Affäre eingeschaltet und versucht, ein Disziplinarverfahren gegen den Tory-Abgeordneten zu stoppen. Allerdings musste der Premier angesichts Protesten aus eigenen Reihen einen Rückzieher machen.

Boris Johnson: Die Kritiker aus den eigenen Reihen werden lauter.
Boris Johnson: Die Kritiker aus den eigenen Reihen werden lauter. © Justin Tallis/dpa

Der Tory-Abgeordnete Sir Roger Gale sagte gegenüber der BBC, der Premierminister „pfeife auf dem letzten Loch“. Und weiter: „Noch ein Schlag und er ist raus“, so Gale, der hinzufügte, dass die Nachwahlen „als ein Referendum über die Leistung des Premierministers gesehen werden müssen“.

Ganz anders sehen das natürlich Boris Johnsons Parteifreunde. Der Vorsitzende der Konservativen Partei, Oliver Dowden, sagte: „Ich weiß, dass die Wähler von North Shropshire die Nase voll haben und uns eine Abfuhr erteilen wollten. Wir haben diese Botschaft laut und deutlich vernommen.“ „Aber“, so fügte er hinzu „ich glaube nicht, dass dies eine große Veränderung bedeutet“.

Boris Johnson in der Kritik: Verstöße gegen die Corona-Regeln

Der Verlust des Mandats an die europafreundlichen Liberaldemokraten erhöht dessen ungeachtet weiter den Druck auf den Premierminister, der vor zwei Jahren mit seinem Versprechen gewählt wurde, den Brexit, den Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union, in die Tat umzusetzen.

Johnson und seine Regierung werden in Großbritannien wegen einer Parteispenden-Affäre und mutmaßlicher Verstöße gegen die selbst verordneten Corona-Regeln in der Öffentlichkeit und auch in den eigenen Reihen scharf kritisiert. Insbesondere Berichte über eine Weihnachtsfeier von Johnsons engsten Mitarbeitern im vergangenen Jahr mitten im Corona-Lockdown sorgen für helle Empörung.

Zugleich verzeichnet Großbritannien vor dem Hintergrund der sich ausbreitenden Omikron-Variante des Virus derzeit wieder Höchststände bei den Infektionen; allein am Donnerstag wurden mehr als 88.000 neue Corona-Fälle registriert. Am Dienstag (14.12.2021) stellten sich bereits fast hundert Tory-Abgeordnete gegen den Regierungschef, indem sie gegen die neuen Corona-Auflagen der Regierung stimmten.

Boris Johnson: Der Unmut auch in den eigenen Reihen wächst

Jüngste Berichte der Zeitungen The Guardian und The Independent über mögliche Verstöße von Johnson selbst heizten den Unmut weiter an. Demnach soll der Premierminister am 15. Mai 2020 trotz der damals geltenden Corona-Beschränkungen kurz an einem Umtrunk in der Downing Street teilgenommen haben.

In der Downing Street ist man unterdessen bemüht, die Nachwahl als Zwischentief abzutun, als Protestvotum, das man maximal im Auge behalten sollte. Aber nur zwei Jahre, nachdem die Konservativen eine Mehrheit von 80 Sitzen im Unterhaus errungen haben, könnten einige von Johnsons Parteifreunden auf dieses Ergebnis schauen und sich fragen, ob ihr Parteichef nicht doch allmählich zu einer Belastung wird. Die Weihnachtszeit jedenfalls könnte für Boris Johnson ungemütlich werden. (skr/afp)

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