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U-Boot-Streit belastet Nato – Frankreich ruft Botschafter aus den USA zurück

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Von: Stefan Brändle

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Frankreich wirft USA und Australien einen schweren Vertrauensbruch vor und ruft seine Botschafter zurück. Macron will mit Biden telefonieren.

Der Streit über das U-Boot-Geschäft im Pazifik sorgt bis in den Atlantik für hohe Wellen. Auf der amerikanischen Seite registriert die New York Times erstaunt, dass Frankreich erstmals seit 1778 den Botschafter aus Washington zurückberufen habe. In Paris unterstellt Außenminister Jean-Yves Le Drian den USA, Großbritannien und Australien nichts weniger als „Doppelzüngigkeit“ und „Verrat“, nachdem sie einen milliardenschweren U-Boot-Deal mit Frankreich gekippt haben.

Le Drian erhebt diese Vorwürfe nicht aus dem hohlen Bauch. Als Verteidigungsminister hatte er von 2014 an selbst mit Australien über die Lieferung von zwölf französischen U-Booten des Typs Shortfin Barracuda verhandelt. Der Deal stand auf des Messers Schneide, da die deutsche Thyssen-Krupp ein Konkurrenzprojekt eingereicht hatte. Frankreich – das einzige Land, das neben den USA die Technologie des militärischen Atomantriebs beherrscht – schlug eine Nuklearmotorisierung vor, weil diese die Reichweite der Angriffsboote im unendlichen Pazifik stark vergrößert; die Australier verzichteten darauf, optierten aber dennoch für die Franzosen.

U-Boot-Streit: Australien lässt Deal mit Frankreich platzen

Dass Canberra den Schwenk auf US-Boote nun ausgerechnet mit deren Atomantrieb begründet, stößt in den Werften von Cherbourg (Normandie) besonders bitter auf.

Die australische Regierung behauptete am Wochenende, sie hätte schon früh „Einwände“ gegen die französischen U-Boote angemeldet und Paris „ehrlich“ über den sich abzeichnenden Wechsel orientiert. Für Le Drian ist das eine pure „Lüge“. Beim G 7-Gipfel im Juni hatten sich Gastgeber Boris Johnson, US-Präsident Joe Biden und der australische Premier Scott Morrison bereits zu Beratungen über ihren Dreierpakt gegen die chinesische Vorherrschaft im Indopazifik zurückgezogen und den darauf beruhenden U-Boot-Deal vorbereitet. Der französische Gipfelteilnehmer Emmanuel Macron blieb unwissend und außen vor, obwohl er seit Monaten seinerseits eine gemeinsame indopazifische Strategie gegen China propagiert. 1,5 Millionen Franzosen wohnen in dem Gebiet, so etwa in den Überseegebieten Neukaledonien oder Polynesien, wo die Franzosen auch Truppen stationiert haben.

U-Boot-Affäre: Feankreich spricht von „Verrat“

Auch als Macron Morrison drei Tage nach dem G 7 persönlich traf, klärte ihn der Australier über den „Verrat“ (so Le Drian) nicht auf. Noch krasser wurde es Ende August, als sich die Außen- und Verteidigungsminister Frankreichs und Australien trafen: In einer gemeinsamen Erklärung „betonten“ sie die Bedeutung des französischen U-Boot-Programms, ohne ein Wort über das bereits festgezurrte Ersatzprojekt der US-Unterseeboote zu verlieren. Am vergangenen Mittwoch musste Frankreichs Präsident Emmanuel Macron aus der Presse erfahren, dass die Australier umsatteln.

Le Drian erinnert daran, dass Frankreich Nato-Mitglied sei. „In einem echten Bündnis spricht man miteinander und respektiert man sich. Das war hier nicht der Fall“, meinte er mit einem Seitenhieb, „die Biden-Methode gleicht zunehmend derjenigen Trumps.“ Und vor allem drohe die U-Boot-Affäre das neue strategische Konzept der Nato zu belasten, das beim nächsten Gipfel 2022 in Madrid besprochen werden sollte.

Konklikt um U-Boot-Deal belastet Nato

Das traditionell auf seine Unabhängigkeit bedachte Frankreich steht dem amerikanisch dominierten Nordatlantikpakt seit de Gaulles Zeiten kritisch gegenüber. Macron bezeichnete ihn 2019 sogar als „hirntot“ und plädiert parallel für eine parallel aufgebaute „europäische Armee“. Damit stößt er aber auch bei den deutschen Partnern auf wenig Echo.

Abgesehen von dieser Rhetorik hatte sich Paris aber in den vergangenen Jahrzehnten stets als zuverlässiger Partner erwiesen, sei es im Irak, in Syrien oder in Afghanistan; in Mali arbeiten 5000 französische Elitesoldaten eng mit amerikanischen Nachrichtendiensten zusammen. Deshalb verlangt Macron auch ein Mitspracherecht bei der westlichen, nicht rein amerikanischen Strategie im Indopazifik.

Jetzt will Macron wegen des aktuellen Konflikts mit US-Präsident Joe Biden reden. In den kommenden Tagen sei ein Telefongespräch geplant, hieß es am Sonntag in Paris. (Stefan Brändle)

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