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E-Book statt Bibliothek

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Von: Rainer Grießhammer

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Wenn das Häusle endlich gebaut ist, ziehen die Kinder bald aus: Ein Großteil der Einfamilienhäuser wird nur von ein oder zwei Personen bewohnt.
Wenn das Häusle endlich gebaut ist, ziehen die Kinder bald aus: Ein Großteil der Einfamilienhäuser wird nur von ein oder zwei Personen bewohnt. © Julian Stratenschulte/dpa (Symbolbild)

Unschön, aber wahr: Der Gebäude-Sektor ist ein Umweltkiller.

Verantwortlich für rund ein Drittel der deutschen CO2-Emissionen, für den Verbrauch von 50 Prozent der nationalen Rohstoffe, wie etwa Kies und Gips, sowie durch Neubau für die Zersiedlung und einen Flächenverbrauch von jährlich rund 200 Millionen Quadratmetern.

Ein wesentlicher Grund für den Neubau ist die Zunahme der genutzten Wohnfläche pro Person auf mittlerweile 47,7 Quadratmeter im Durchschnitt. Verursacht wird dies durch hohe Ansprüche, wie zum Beispiel das Bibliothekszimmer in der Single-Wohnung. Kleiner Tipp: Ein E-Book-Reader braucht im Regal nur zwei Zentimeter und es passen Tausend Bücher drauf. Die zweite Ursache ist die massive Diskrepanz zwischen der sprichwörtlich in Stein gemeißelten Gebäudestruktur und der demografischen Verschiebung zu mittlerweile 75 Prozent Ein- und Zwei-Personen-Haushalten. Im Gebäudebestand haben Wohnungen mit einem, zwei oder drei Zimmern aber nur einen Anteil von 54 Prozent, so dass die Ein- und Zwei-Personen-Haushalte auch größere Wohnungen nutzen müssen.

Dazu kommt, dass ein Großteil der Einfamilienhäuser nur von ein oder zwei Personen bewohnt wird. Wenn das Häusle endlich gebaut ist, ziehen die Kinder bald aus. Ein Wohnungstausch oder eine bauliche Zweiteilung der Einfamilienhäuser wäre zwar oft möglich, aber es gibt Hemmnisse. Die meist älteren Eigentümer scheuen Umbau oder Vermietung – oder sie bekommen aufgrund ihres Alters keinen Kredit. Andererseits finden sie keine kleinere Wohnung im vertrauten Umfeld oder die kleineren Wohnungen sind oft teuer, weil zu knapp…

Helfen würden finanzielle und logistische Unterstützung wie etwa kostenlose Erstberatung durch einen Architekten oder gezieltes Umzugsmanagement.

Vor diesem Hintergrund wird die seit langem verfolgte gesellschaftliche Strategie, jährlich 400 000 Wohnungen bauen zu wollen, immer unsinniger. Sie muss geändert werden, inklusive der Förderpolitik und der kommunalen Planung. Richtig wäre das Ziel, jährlich den Umbau und die Aufteilung von mindestens 100 000 Einfamilienhäusern zu bewirken sowie zusätzlich den Dachausbau und die Aufstockung von Mehrfamilienhäusern und Nichtwohngebäuden zu unterstützen.

Prof. Dr. Rainer Grießhammer ist Vorstand der Stiftung Zukunftserbe. Er war viele Jahre Geschäftsführer des Öko-Instituts und ist Bestseller-Autor.

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