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Mit Bomben gegen Bombenbauer

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Von: Inge Günther

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Motorradfahrer befestigten eine Magnetbombe am Auto des Wissenschaftlers. Kurz darauf explodierte sie.
Motorradfahrer befestigten eine Magnetbombe am Auto des Wissenschaftlers. Kurz darauf explodierte sie. © dapd

Ein in Teheran ermordeter Nuklearwissenschaftler hatte angeblich eine zentrale Position im iranischen Atomprogramm: Iran beschuldigt Israel für den Anschlag verantwortlich zu sein. Das Mullah-Regime hat bereits vier Atomwissenschaftler bei ähnlichen Attentaten verloren.

Iranische Atomwissenschaftler leben gefährlich. Mustafa Ahmadi Roshan kam am Mittwoch der halbstaatlichen Nachrichtenagentur Fars zufolge um, nachdem ein Motorradfahrer im Vorbeifahren einen Sprengsatz an seinem Auto angebracht hatte. Das Bombenattentat auf den Teheraner Universitätsprofessor, der zugleich Chef der Urananreicherungsanlage Natanz gewesen sein soll, ist nur der jüngste Fall einer mysteriösen Anschlagsserie.

Das ausgetüftelte Vorgehen beherrschen nur ausgebildete Spezialisten, die üblicherweise für die Mafia, internationale Terrororganisationen oder ausländische Geheimdienste arbeiten. Nicht zum ersten Mal sieht Iran denn auch fremde Mächte im Spiel, etwa die CIA, den Mossad oder den britischen MI6. Diesmal allerdings wies ein iranischer Vizegouverneur, Safarali Baratloo, direkt nach Israel als Auftraggeber.

Regierung in Israel dementiert

In den vergangenen zwei Jahren hat das Mullah-Regime mindestens vier seiner Nuklearexperten bei ähnlichen Attentaten verloren. Alle hatten angeblich Schlüsselpositionen in Irans Atomprogramm inne. Es dient nach Angaben der Regierung friedlichen Zwecken, die UN-Atomaufsichtsbehörde IAEA in Wien vermutet jedoch, dass der Iran insgeheim die Entwicklung von Nuklearwaffen betreibt.

Offiziell mag sich seitens der israelischen Regierung niemand zu der Beschuldigung äußern. Der Verdacht begründe sich auf reiner Spekulation, erklärte Schmuel Bar, Direktor des Instituts für Politik und Strategie am Interdisziplinären Zentrum in Herzliya. Genauso gut könnten Agenten aus USA, Deutschland, Frankreich oder Großbritannien verwickelt sein. Alle westlichen Mächte hätten schließlich ein Interesse, zu verhindern, dass die Ajatollahs in den Besitz einer Atombombe gelangen.

Aber eines verstehe sich von selbst, räumt Bar ein: „Keiner in Israel weint einem toten iranischen Nuklearexperten eine Träne nach.“

Immerhin schließen Premier Benjamin Netanjahu wie auch Verteidigungsminister Ehud Barak ausdrücklich keine Option aus, um das iranische Atomprogramm zu sabotieren. Israel lässt keinen Zweifel daran, dass es eine Atommacht Iran für eine existenzielle Bedrohung hält.

Lange Sabotage-Tradition

Sowohl Tamir Pardo, Chef des Auslandsgeheimdienstes Mossad, als auch sein Vorgänger Meir Dagan haben mehr als einmal angedeutet, sie seien um Mittel und Wege nicht verlegen, das iranische Nuklearprogramm zu verzögern. Bereits seit den Sechzigerjahren gehöre es zur Mossad-Strategie, sagt Ronen Bergman von der Zeitung Yedioth Achronoth, zentrale Akteure der Verbreitung von Kernwaffen zu neutralisieren, schon um Nachahmer abzuschrecken. Damals richtete sich diese Politik gegen einschlägige deutsche Experten, die in Ägypten tätig waren, in den Siebzigerjahren gegen Atomwissenschaftler im Irak.

Nach dieser Logik steht nun der Iran im Fokus. Die französische Zeitung Le Figaro will erfahren haben, dass der Mossad iranische Dissidenten für Bombenanschläge wie den vom Mittwoch rekrutiert. Erwiesen ist das nicht. Auffällig ist aber, dass alle Attentate gegen iranische Atomexperten eine ähnliche Handschrift tragen.

Riskantes Kalkül

Genau vor zwei Jahren hatte eine Detonation Majid Schahriari, ebenfalls ein Atomforscher, in den Tod gerissen. Der Sprengsatz war an einem Motorrad vor seinem Haus geparkten Motorrad angebracht. Im November desselben Jahres wurde der Nuklearexperte Majid Shahriari mit einer Autobombe getötet. Im Juli 2011 soll ein Motorradfahrer die tödlichen Schüsse auf Dariusch Resainedschad abgefeuert haben, einen Physiker, der nach IAEA-Erkenntnissen Komponenten für Nuklearwaffen entwickelt hat. Wer auch immer als Drahtzieher fungiert – „er will dem Regime in Teheran Druck machen, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und diesmal nicht nur zum Teetrinken sondern um echte Kompromisse zu schließen“, vermutet Meir Javedanfar, ein iranischer Jude, der in Tel Aviv das Institut „Meepas“ unterhält.

Ein Kalkül mit Risiko. Natürlich, sagt Javedanfar, könnten die Mullahs die Attentate mit Terror erwidern.

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