Bildungschancen für Jamaikaner

Schulpolitiker der Bundesländer werben für eine Kooperation mit dem Bund. In der Union wurde bislang stets abgeblockt.
Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Nordrhein-Westfalens Bildungsministerin Yvonne Gebauer sieht in den laufenden Gesprächen über eine mögliche Jamaika-Koalition die Chance, dass Bund und Länder bei der Bildung wieder besser kooperieren. Es gelte, rechtliche Hürden zu beseitigen, sagte Gebauer.
So absurd es vielen Eltern scheinen mag: Politiker aller Parteien führen regelmäßig an, Bildung sei eine der wichtigsten Aufgaben des Staates. Doch der finanzstarke Bund darf den Ländern in Sachen Bildung nur sehr begrenzt helfen. Die Föderalismusreform 2006 setzte da klare Grenzen: Für Bildung sind die Länder zuständig, also muss sich der Bund bei den Schulen auch finanziell raushalten; es herrscht „Kooperationsverbot“. Ausnahmen davon – wie etwa bei Schulsanierungen – bestätigen nur die Regel.
Von den drei Parteien, die just die Chancen einer Jamaika-Koalition im Bund sondieren, wollen zwei das Verbot abschaffen: Grüne und FDP. Die Union tut sich noch schwer. Doch der Druck wächst – von den Lehrerinnen und Lehrern als auch aus den Bundesländern. „Wir sehen eine künftige Bundesregierung dringend in der Pflicht, die Abschaffung des Kooperationsverbots auf den Weg zu bringen“, sagte die Chefin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Marlis Tepe. „Die Länder können die Herausforderungen nicht allein bewältigen.“
Zaghafte Signale der Union
In der Union wurde bislang stets abgeblockt: Die Hürden für Abschaffung oder auch nur Lockerung des Kooperationsverbots seien doch sehr hoch. Tatsächlich bräuchte es eine Grundgesetzänderung – und viele Länder haben immer wieder gerne auf ihre Bildungshoheit gepocht. Nun allerdings geben sie immer öfter zu erkennen, dass ihnen mehr Kooperation gefallen würde.
Dass Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig, Hamburgs Bildungssenator Ties Rabe und seine Berliner Kollegin Sandra Scheeres (alle SPD) für ein Ende des Kooperationsverbots trommeln, versteht sich. SPD-Chef Martin Schulz hatte das Thema im Wahlkampf gesetzt, forderte eine „nationale Bildungsallianz“ angesichts maroder Schulen und des dringend nötigen Ausbaus von Ganztagsangeboten.
Doch auch aus Unions-geführten Ländern sind vorsichtige Signale zu hören, die zumindest eine weitere Lockerung des Verbots befürworten. „Ich bin kein Fan von regionalen Eingeborenentänzen“, sagte Sachsen-Anhalts Bildungsminister Marco Tullner (CDU) zur Forderung nach mehr Kooperation. Karin Prien (CDU), Bildungsministerin im schwarz-gelb-grünen Schleswig-Holstein, sagt, grundsätzlich solle es beim Bildungsföderalismus bleiben. Sie fordert aber auch, bei wichtigen Bildungsaufgaben solle der Bund mitfinanzieren dürfen. Jamaika könne „ein großer Wurf“ gelingen.
GEW-Chefin Tepe unterfüttert unterdessen die deutlichen wie die vorsichtigen Worte mit harten Zahlen: „Bund und Länder müssen dann auch das entsprechende Geld zur Verfügung stellen. Um unsere Bildungsausgaben an den OECD-Durchschnitt anzupassen, brauchen wir 26 Milliarden Euro im Jahr mehr. Für weltbeste Bildung, wie einige politische Akteure sie im Wahlkampf gefordert haben, werden 55 Milliarden Euro im Jahr mehr benötigt.“