„Entscheidend für die Zukunft des Planeten“: China und der Westen gehen wieder aufeinander zu

Es sind nur kleine Schritte, aber immerhin: Sie sprechen wieder miteinander. Das eisige Schweigen, das zwischen China und den USA nach der Ballon-Affäre herrschte, ist gebrochen.
München – Noch ist es wohl zu früh, von einem Tauwetter zwischen China und den USA zu sprechen. Aber es kommt Bewegung in die Beziehungen, die Chinas Außenminister Qin Gang einmal als „entscheidend für die Zukunft des Planeten“ bezeichnet hat. Und auch in Richtung Deutschland hat Peking unlängst eine kleine Charmeoffensive gestartet, inklusive eines wenig beachteten Treffens von Minister Qin mit Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin. Trippelschritte vielleicht, aber immerhin. Denn auf dem Spiel steht einiges – von der wirtschaftlichen Entwicklung auf beiden Seiten bis hin zum Frieden in der Taiwanstraße.
Vor ein paar Monaten noch sah es so aus, als seien die Fronten zwischen Washington und Peking derart verhärtet, dass auch mit viel gutem Willen nicht mehr viel zu retten ist. Schon unter Donald Trump, der einen Handelskrieg gegen China vom Zaun gebrochen hatte, begann die Geschichte der Entfremdung zwischen beiden Ländern. Vorläufiger Höhepunkt war der Taiwan-Besuch der damaligen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi im vergangenen August. Peking, das Taiwan als abtrünnige Provinz betrachtet, kündigte daraufhin mehrere Gesprächskanäle mit Washington auf und schickte sein Militär zu mehrtägigen Übungen in die Region.
Hochrangige Gespräche zwischen China und den USA in Wien
Nach einem Treffen zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping am Rande des G20-Gipfels auf Bali im November schien dann das Ärgste überstanden – bis zwei Monate später ein mutmaßlicher Spionageballon aus China am Himmel der USA auftauchte und Außenminister Antony Blinken seinen geplanten Peking-Besuch kurzerhand absagte. Wann die Reise nachgeholt wird, ist derzeit offen.
Seit dieser Woche aber spricht man immerhin wieder miteinander. Am Montag traf in Peking US-Botschafter Nicholas Burns mit dem chinesischen Außenminister Qin Gang zusammen. Die Beziehungen zwischen beiden Ländern seien „nicht nur für China und die USA, sondern auch für die Welt von großer Bedeutung“, erklärte Qin, der bis März Botschafter in Washington gewesen war. Um „unerwünschte Vorfälle“ zu vermeiden, müssten die Beziehungen „stabilisiert“ werden.
Noch hochrangiger war zwei Tage später eine Begegnung in Wien, bei der Chinas oberster Außenpolitiker Wang Yi auf Jake Sullivan traf, den Nationalen Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden. Peking sprach nach den zweitägigen Beratungen von „offenen, ausführlichen, substantiellen und konstruktiven Gesprächen“, die das Ziel hätten, den „Niedergang“ der Beziehungen zu „stoppen“. Die US-Seite erklärte, man sei bereit, die Affäre um den Spionage-Ballon hinter sich zu lassen.
USA müssen „ihre Wahrnehmung Chinas korrigieren und zur Rationalität zurückkehren“
Schon bald wird zudem der US-Sondergesandte für den Klimawandel, John Kerry, in Peking erwartet. Sein chinesisches Gegenüber habe ihn eingeladen, sagte der Politiker der Nachrichtenagentur Reuters. „Die beiden größten Volkswirtschaften, die am meisten zu diesem Problem beitragen, müssen zusammenkommen und versuchen, eine Lösung zu finden“, so Kerry mit Blick auf die Erderwärmung. Nach dem Besuch der damaligen Vorsitzenden des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi in Taiwan hatte Peking den Klimadialog mit Washington vorübergehend ausgesetzt.
Alles eitel Sonnenschein also? Mitnichten. Bei seinem Treffen mit Botschafter Burns machte Chinas Außenminister klar, dass er gar nicht daran denke, Washington in strittigen Fragen entgegenzukommen. Vielmehr seien es die USA, die sich bewegen müssten. Die Vereinigten Staaten sollten „ihre Wahrnehmung Chinas korrigieren und zur Rationalität zurückkehren“, forderte Qin. Schon im März hatte Staatschef Xi den Amerikanern vorgeworfen, „eine umfassende Eindämmung und Unterdrückung Chinas“ zu betreiben. Pekings Vorwurf: Durch Exportbeschränkungen, etwa für hoch entwickelte Mikrochips und Maschinen zu deren Herstellung, wollten die USA den Aufstieg der Volksrepublik zur Weltmacht aufhalten.
Auch die Taiwan-Frage sorgt weiterhin für Zwist. Peking beharrt auf seinem „Ein-China-Prinzip“, die USA bestehen hingegen darauf, Taipeh weiterhin Waffen zur Verteidigung zu liefern. Beide Supermächte definieren die Ein-China-Politik unterschiedlich. Zudem fordert Washington, dass der Konflikt friedlich und in Einvernehmen mit der taiwanischen Bevölkerung gelöst werden müsse. China wiederum will die Anwendung von Gewalt nicht ausschließen.
Beim Treffen in Berlin findet Baerbock klare Worte in Richtung China
In Peking weiß man, dass sich der amerikanische Blick auf China so bald nicht verändern wird. Denn wenn es etwas gibt, bei dem sich Demokraten und Republikaner einig sind, dann ist es ihre harte China-Politik. Wohl auch deshalb reiste Außenminister Qin unmittelbar nach seiner Unterredung mit Botschafter Burns weiter nach Europa. Peking will die Europäer, die es bisweilen als bloßes Anhängsel der Amerikaner betrachtet, offenbar noch nicht ganz verloren geben.
Qin Gangs Treffen mit der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock am Dienstag – das dritte in diesem Jahr – dürfte allerdings wenig Bewegung ins Verhältnis zwischen Berlin und Peking gebracht haben. Baerbock gab sich gewohnt angriffslustig und warf China indirekt vor, sich im Ukraine-Krieg auf die Seite des russischen Aggressors gestellt zu haben. Qin Gang wiederum hatte für die Grünen-Politikerin vor allem Floskeln im Gepäck – und stellte China reichlich großspurig als „Wahrer des Weltfriedens“ hin. Immerhin, beim anschließenden Treffen mit Olaf Scholz, über das inhaltlich so gut wie nichts bekannt wurde, dürfte es harmonischer zugegangen sein. Zudem überbrachte Qin dem unlängst von Peking ausgeladenen FDP-Finanzminister Christian Lindner eine herzliche Einladung nach China.
Ob das reicht, um in Berlin gut Wetter zu machen? Man darf es bezweifeln. Zwar arbeitet die Bundesregierung noch immer an ihrer China-Strategie, die irgendwann in den nächsten Monaten vorgelegt wird. Die Marschrichtung aber ist schon jetzt klar: China sei Partner, Wettbewerber und systemischer Rivale – wobei aber Rivalität und Wettbewerb seitens Chinas ohne jeden Zweifel zugenommen hätten. Gesagt hat das am vergangenen Dienstag übrigens nicht Annalena Baerbock – sondern, bei einer Grundsatzrede in Straßburg: Olaf Scholz.