Mitgliedervotum soll in Berlin SPD-Zukunft entscheiden - Grüne attackieren Giffey
Die Berliner SPD-Mitglieder werden über den Koalitionsvertrag mit der CDU abstimmen. Die Grünen fordern ein Nein gegen die „Rückschrittskoalition“.
Berlin - Kurz vor Beginn der Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD am morgigen Donnerstag äußern Vertreter der Grünen Landespartei weiter heftige Kritik und richten einen Appell an alle Berliner SPD-Mitglieder: „Ihr habt es selbst in der Hand, diese Rückschrittskoalition abzuwählen. Sagt Nein zu diesen schwarz-roten Koalitionsverhandlungen“, forderte der Berliner Grünen-Fraktionschef Werner Graf bei einem kleinen Parteitag der Grünen am Dienstagabend in Berlin.
Die Adressaten seines Appells, die Berliner SPD-Mitglieder, könnten tatsächlich noch eine entscheidende Rolle im weiteren Verlauf der Regierungsbildung nach der Berlin-Wahl spielen. Die Berliner SPD hatte entschieden, ihre Mitglieder bei erfolgreichen Koalitionsverhandlungen über den ausgearbeiteten Koalitionsvertrag abstimmen zu lassen. Die Mehrheit der Abstimmenden muss demnach dem Koalitionsvertrag zustimmen.

Regierungsbildung in Berlin: SPD-Mitgliedervotum nach Koalitionsverhandlungen
Der Zeitplan für die Koalitionsverhandlungen und das Mitgliedervotum steht bereits: Ab dem morgigen Donnerstag verhandeln zunächst die Führungsteams beider Parteien über grundsätzliche Inhalte der Regierungskoalition aus CDU und SPD. Ab nächsten Montag beginnen dann die Verhandlungen innerhalb von 13 Fachgruppen, die mit Themenexperten der Parteien besetzt sind. Themenfeldern sind zum Beispiel: Finanzen, Verwaltungsreform und Digitalisierung, Stadtentwicklung oder Mobilität und Klimaschutz.
Anfang April soll der Koalitionsvertrag von CDU und SPD dann stehen. Die SPD hat sich den 1. April als Frist festgelegt. Darauf folgt dann das SPD-Mitgliedervotum: Die Briefwahlunterlagen dafür sollen bis zum 8. April an alle stimmberechtigten Mitglieder der Berliner SPD versandt werden. Stichtag der Abstimmung soll der 21. April sein und die Auszählung des Mitgliedervotums ist für den 23. April geplant.

Koalitionsverhandlungen von CDU und SPD in Berlin: Kritik der Grünen-Spitze
Der Berliner Grünen Fraktionschef Graf sieht den Erfolg der Koalitionsbildung zwischen CDU und SPD scheinbar noch nicht als sicher an. So appellierte er mit deutlichen Worten an alle SPD-Mitglieder: „Liebe SPD, befreit euch aus dieser babylonischen Gefangenschaft!“. „Ja, die haben die Tür mit einem lauten Knall zugeschlagen, und ja, sie haben auch den Schlüssel noch umgedreht“, sagte er über die SPD-Spitze. „Aber ihr habt ein Brecheisen, und das setzt ein, stimmt mit Nein.“ Wenn dann die Tür wieder offen sei, könne man wieder reden. „Aber eins will ich nicht: Dass hinter dieser Tür noch mal Franziska Giffey und Raed Saleh stehen.“
Kritik an den Koalitionsplänen von CDU und SPD hatten schon andere grüne Landespolitiker geäußert. So kritisierte der Grünen-Landesvorsitzende Philmon Ghirmai die Entscheidung der SPD für Koalitionsverhandlungen mit der CDU: „Ich hätte die Regierungsarbeit gerne fortgeführt. Denn wir sind nicht fertig, sondern auf halbem Wege“. Er sagte weiter, das „Jahrzehnt der Investitionen“ werde von Schwarz-Rot abgewürgt.
Koalitionsverhandlungen mit der CDU auch in SPD umstritten
Auch innerhalb der Berliner SPD stoßen die Koalitionspläne nicht überall auf Gegenliebe. Zunächst äußerten die JUSOS, die Jugendorganisation der Sozialdemokraten, scharfe Kritik und kündigten an, die Koalition über das Mitgliedervotum noch stoppen zu wollen: „Was jetzt folgen wird und muss, ist die größte parteiinterne Kampagne, die die SPD Berlin je gesehen hat“, schrieben die Jusos Berlin bei Twitter. „Wir haben im SPD-Vorstand unsere Haltung klargemacht, leider ohne Erfolg.“
Und auch der SPD Kreisverband Neukölln -Giffeys eigener Wahlkreis- hatte nach einer heftigen Diskussion auf einer Kreisdeligiertenversammlung mit einer knappen Mehrheit von 48 gegen 45 Stimmen gegen ein Bündnis mit der CDU gestimmt. In der Partei rumort es und auch Giffeys zukünftige Rolle ist innerhalb der Berliner SPD nicht unumstritten. (kasa, dpa)