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Berichte über „Team Jorge“: Israelische Firma soll weltweit 33 Wahlen manipuliert haben

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Von: Alexander Eser-Ruperti

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Eine spektakuläre Enthüllung gewährt Einblicke in eine Schattenwelt: Die Hacker- und Desinformationsgruppe „Team-Jorge“ soll zahlreiche Wahlen beeinflusst haben.

Modi‘in – Es ist alles andere als eine neue Erkenntnis in der Welt der Politik: Information ist Macht – und damit ebenso das Lenken, Zurückhalten oder Fälschen von Informationen. Für einige ist das in einer zunehmend digitalen Welt zum Geschäft geworden. Medienberichten zufolge ist nun eine einflussreiche Hacker- und Desinformationsgruppe unter dem Namen „Team Jorge“ aufgedeckt worden, die offenbar bereits seit vielen Jahren operiert: Ihr Geschäft sind Schmutzkampagnen, Desinformation und Meinungsmache. Eine Übersicht der Erkenntnisse.

„Team Jorge“ und das Geschäft mit der Desinformation

Berichte des Guardian und anderer Medien bringen Licht in das Dunkel schwammiger Vorstellungen von Hackern, die Desinformationen fabrizieren, Bots betreiben und private Zugänge hacken. Ein Konsortium von Journalistinnen und Journalisten aus 30 Medienanstalten, unter anderem von Spiegel, Zeit und Le Monde, hat eine Gruppe von Hackern unter dem Namen „Team Jorge“ aufgedeckt. Ihr Name geht zurück auf den Leiter der Einheit, Tal Hanan. Hintergrund: der ehemalige israelische Spezialagent firmiert privat offenbar auch unter dem Namen „Jorge“. Seit über zwei Jahrzehnten soll er an Wahlen in verschiedenen Ländern beteiligt gewesen sein.

Ein Mann trägt ein Schild mit der Aufschrift „Fake News“.
Unter anderem mit gezielter Desinformation soll ein Unternehmen auf über 33 Wahlkämpfe Einfluss genommen haben. (Symbolbild) © picture alliance/dpa/Marijan Murat

Die israelische Firma mit Sitz in Modi‘in betreut nach eigenen Angaben Kunden aus Politik und Wirtschaft. Dabei setzen die ehemaligen Militärs und Agenten dem Bericht zufolge gezielt Hacking-Methoden und Fake News ein. Die Berichte basieren unter anderem auf heimlich aufgezeichnetem Tonmaterial. In den Gesprächen sollen Firmenchef Tal Hanan und sein Team ihren Service gegenüber vermeintlichen potenziellen Kunden – in Wahrheit Journalisten – vorgestellt haben. Etwa sechs Stunden davon wurden mitgeschnitten.

„Team Jorge“ und die Einmischung in Wahlen: Tal Hanan berichtet von Einflussnahme auf 33 Wahlkämpfe

Geht es nach den Aussagen der Mitglieder hat das „Team Jorge“ in der Vergangenheit bereits massiven Einfluss auf Wahlen überall in der Welt genommen. Auf den Aufnahmen ist Firmenchef Tal Hanan zu hören, wie er erklärt, man habe sich bereits in 33 nationale Wahlkämpfe beziehungsweise Abstimmungen eingemischt. Seinen eigenen Angaben zufolge sollen 27 der Einsätze dabei von Erfolg gekrönt gewesen seien. Unter anderem geht aus dem Bericht hervor, zur Manipulation auf sozialen Medien habe das „Team“ eine eigene Plattform namens „Aims“ entwickelt. „Aims“ soll angeblich in der Lage sein, bestätigte Nutzerkonten zu schaffen.

Insgesamt verfügt die Gruppe laut Guardian über mehr als 30.000 Bots, also „Fake-Profile“ in sozialen Medien und auf verschiedenen Plattformen. Diese Social-Media Profile sind bisweilen immens glaubhaft: Einige sollen gar mit Kreditkarten, Airbnb-Accounts oder Bitcoin-Wallets verbunden sein. Manche der Angaben Hanans lasse sich nur schwer unabhängig überprüfen, auch nicht, wo er übertrieben haben könnte. Doch: In jedem Fall sind die Informationen schwerwiegend – und weitreichend für den Kampf gegen Desinformation.

Die Zeitung meldet ebenfalls, das Team um Hanan sei in der Lage sowohl Gmail als auch Telegram zu hacken. Durch Datendiebstahl würden auch Schmutzkampagnen auf Grundlage gestohlener Informationen betrieben werden, um die Meinung der Öffentlichkeit zu beeinflussen, so die Berichte. Monatlich soll Hanan für seinen Dienst 400.000 bis 600.000 Euro genommen haben.

„Team-Jorge“-Chef Tal Hanan bestreitet „jegliches Fehlverhalten“

Laut Guardian erklärte „Team-Jorge“-Chef Hanan seinerseits, er „bestreite jegliches Fehlverhalten“. Auf genauere Fragestellungen zu Aktivitäten und Methoden seines Unternehmens soll er hingegen nicht geantwortet haben. Auskunftsfreudiger hatte er sich zuvor gegenüber der Investigativjournalisten gegeben: Im Gespräch mit ihnen erklärte der Firmenchef, seine Dienste stelle er politischen Kampagnen, privaten Unternehmen und Geheimdiensten zur Verfügung, die heimlich Einfluss auf die öffentliche Meinung nehmen wollen. Getan hätte er dies bereits in ganz Afrika, Süd- und Mittelamerika, den Vereinigten Staaten von Amerika und Europa, so Hanan laut Guardian.

Drei Investigativjournalistinnen und Journalisten hatten sich gegenüber der Firma als potenzielle Klienten ausgegeben, um an die Informationen zu gelangen. Erheblicher Bestandteil der Kampagnen ist offenbar auch die Manipulation und Diskreditierung von Gegnerinnen und Gegnern der Auftraggeber. Die Methoden sind perfide: In einem Fall soll das Unternehmen Sexspielzeug an einen Politiker geschickt haben, um dessen Frau zu suggerieren, er habe eine Affäre.

Der Fall um das „Team-Jorge“ ist auch für Israel unangenehm

Auch für Israel ist der Fall des „Team-Jorge“ unangenehm. Immer wieder hatte es in der Vergangenheit Berichte über den Export von Cyberwaffen aus Israel gegeben, die zu demokratiefeindlichen Zwecken genutzt werden können und Menschenrechte untergraben. In Zeiten dieser Kritik fällt der Fall der Gruppe um Hanan: Sie sollen einen Teil ihrer Desinformationsarbeit über das Unternehmen „Demoman International“ abgewickelt haben, so der Guardian. Der springende Punkt: Das Unternehmen ist auf einer Website zur Förderung von Rüstungsexporten registriert – betrieben vom israelischen Verteidigungsministerium. (ales)

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