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Bund schlitterte in Berater-Republik: „Ausgaben in den letzten zehn Jahren verdoppelt“

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Von: Andreas Schmid

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Kanzler Olaf Scholz mit seinem Team.
Die Beraterausgaben des Bundes steigen, hier Kanzler Olaf Scholz mit seinem Team. © Kay Nietfeld/dpa

Immer mehr Geld für Berater: Die Ausgaben des Bundes erhöhen sich nahezu jedes Jahr. Im FR-Interview gibt der frühere Berater Thomas Deelmann Einblick in die Branche.

Frankfurt – Seit Jahren steigen die Beraterausgaben des Bundes. Regelmäßig holt sich die Politik externe Unterstützung, etwa in der Corona-Politik oder bei Verwaltungsfragen der einzelnen Ministerien sowie der Digitalisierungsstrategie. Das ist grundsätzlich nicht verwerflich, meint Thomas Deelmann. Der Hochschulprofessor hat selbst als Berater gearbeitet und gilt als Kenner der Branche. Er stellt allerdings fest, dass der Anteil von Beraterleistungen im Bund in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist. In seinem neuen Buch spricht er gar von einer „Berater-Republik“, die sich in Zukunft weiter ausbreite. Im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau gibt Deelmann Einblick in die Beraterleistungen für die deutsche Politik – und nennt konkrete Zahlen zu den steigenden Ausgaben.

Herr Deelmann, warum braucht die Politik überhaupt Hilfe von Beratern?

Es gibt drei große Bereiche: Expertise in Fachthemen, wie aktuell zum Beispiel künstliche Intelligenz. Hier wird dann temporär ein externer Berater hinzugezogen. Ebenso bei fehlenden Ressourcen, wenn etwa eigene Beschäftigte noch nicht eingestellt oder ausgebildet wurden. Drittens können Politik und auch Verwaltung vom Netzwerk eines Beraters, seinen Kontakten und dem anderen Blickwinkel auf eine Sache profitieren.

Wie groß ist der Einfluss von Beratern auf die Politik?

Das ist sehr schwierig zu beantworten. Einerseits sind Berater dazu da, Entscheidungen zu beeinflussen. Dennoch sollten Politiker oder hochangestellte Verwaltungsmitarbeitende ihre Entscheidungen natürlich nur treffen, wenn sie verschiedene Quellen angehört haben und sich nicht nur auf externe Berater stützen. Man muss aber auch sagen: Es ist sehr schwierig nachzuvollziehen, wann eine Beratungsempfehlung zu welchem Ergebnis geführt hat und wer am Ende welchen Beitrag geleistet hat.

Wo hat sich die deutsche Politik in der Vergangenheit beraten lassen?

Berater haben immer dann intensiv mitgewirkt, wenn es großen Veränderungsbedarf gab. Auf föderaler Ebene betrifft das etwa Anpassungen im Bildungssektor. Im Bund waren Berater sehr aktiv bei der Privatisierung von Post und Telekommunikation, bei der Treuhandanstalt im Rahmen der Wiedervereinigung oder vor einigen Jahren, als die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen die Bundeswehr modernisieren wollte.

Thomas Deelmann, Autor von „Die Beraterrepublik“
Thomas Deelmann arbeitete mehrere Jahre selbst als Berater. Aktuell ist er als Hochschulprofessor aktiv. © fkn

Zur Person

Thomas Deelmann ist Professor für Management und Organisation an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung (HSPV) Nordrhein-Westfalen. Seit mehr als 20 Jahren arbeitet und forscht er als, für, mit und über Berater. Er kennt sowohl die Kunden- als auch die Beraterseite und war unter anderem in einem internationalen Beratungskonzern sowie als Beratungseinkäufer in einem DAX-Unternehmen tätig.

Welche Ministerien geben das meiste Geld für externe Hilfe aus?

Das schwankt von Jahr zu Jahr. Das Verteidigungsministerium hatte 2019 relativ hohe Ausgaben, zuletzt lag das Innenministerium vorne. Grundsätzlich sind die Beraterleistungen in den vergangenen Jahren massiv gestiegen – und haben sich in den letzten zehn Jahren in etwa verdoppelt.

Können Sie konkrete Zahlen nennen?

Der gesamte Beratungsmarkt in Deutschland ist von 22,3 Milliarden Euro im Jahr 2012 auf 43,7 Milliarden Euro in 2022 gewachsen. Der Teilmarkt des öffentlichen Sektors – also Bund, Länder oder Gemeinden – betrug 2,03 Milliarden Euro in 2012 und 4,37 Milliarden Euro in 2022. Der Bund hat 2012 schätzungsweise 75 Millionen Euro ausgegeben, in 2021 rund 200 Millionen Euro. Für 2022 sind noch keine Zahlen veröffentlicht, aber ich schätze, der Gesamtwert wird deutlich über 300 Millionen Euro, vermutlich sogar über 400 Millionen liegen. Auch für 2023 erwarte ich Ausgaben in dieser Größenordnung.

Das liegt auch daran, dass die Ampel vermehrt auf externe Beratung setzt. Sie schreiben in Ihrem Buch, dass der Koalitionsvertrag „nur so vor Chancen für neue Berateraufträge strotzt“. Es gebe „an mindestens 36 Stellen einen Consulting-Bezug“. Wo genau?

Etwa wenn es heißt, dass man die „Einsatzmöglichkeiten für private Projektmanagerinnen und Projektmanager“ ausdehnen werde oder bei Sätzen wie: „Die Verwaltung soll agiler und digitaler werden.“ Das sind für mich Indikatoren, dass der Bund das nicht alleine machen kann – sondern externe Beratung sucht. Gleichzeitig bringt sich der Bund als Beratungsanbieter in Stellung. So heißt es: „Die Inhouse-Beratungskapazitäten der öffentlichen Hand werden zu Beschleunigungsagenturen ausgebaut.“

Ist es nun gut oder schlecht, dass sich die Politik externe Unterstützung sucht?

Grundsätzlich ist Beratung erst einmal nützlich. Es wäre gefährlich, zu denken, man könne immer alles selbst.

Interview: Andreas Schmid

Über das Buch: „Die Berater-Republik. Wie Consultants Milliarden an Staat und Unternehmen verdienen“, Thomas Deelmann, FinanzBuch Verlag, erschienen am 18. April, 22 Euro.

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