Russische Partisanen widersprechen dem „Kauderwelsch“ Moskaus
Russische Aufständische verbleiben offenbar bei Graiworon in der Oblast Belgorod. Halten sie ihre Stellungen gegen die Armee? Die Versionen gehen weit auseinander.
München/Belgorod - Unübersichtliche Lage im äußersten Westen Russlands: Während Behörden der Oblast Belgorod behaupten, sie hätten die „Anti-Terror-Operation“ nach nur einem Tag beendet, widersprechen die mutmaßlich russischen Partisanen dieser Version entschieden.
Angriffe auf Belgorod: Partisanen noch auf russischem Boden?
So verweist die ukrainische Tageszeitung Kyiv Post auf einen angeblichen Sprecher der „Legion Freiheit für Russland“, wonach man nach wie vor in der russischen Grenzregion operiere und nicht die Absicht habe, diese zu verlassen. Aus westlicher Perspektive bleibt die Situation unübersichtlich.
Am Dienstag (23. Mai) war es zu Angriffen an der russisch-ukrainischen Grenze auf reguläre russische Truppen und Grenzposten gekommen, die die „Legion Freiheit für Russland“ in einer Videobotschaft für sich beanspruchte. Bei den Attacken wurde angeblich der Grenzposten Graiworon eingenommen. Nach und nach werden mehr Details bekannt.
Ein Detail: Zahlreichen Fotos und Videos bei Twitter zufolge sollen die Angriffe mit US-amerikanischen Militärfahrzeugen der Typen Humvee und MaxxPro erfolgt sein. Beim Humvee handelt es sich um einen gepanzerten Jeep mit schwerer Maschinenkanone, der seitens der USA vor allem in Afghanistan zum Einsatz kam.
Angriffe in Region Belgorod: „Legion Freiheit für Russland“ reklamiert Angriff für sich
Videos zeigen entsprechende Humvees mit Fahnen der „Legion Freiheit für Russland“. Wo diese genau fahren, ob in der Region Belgorod oder woanders, lässt sich nicht unabhängig verifizieren. Auf anderen Fotos, die just in besagter Oblast entstanden sein sollen, ist der russische Generaloberst Alexander Lapin vor einem gepanzerten MaxxPro zu sehen. Insgesamt zwei der Fahrzeuge sollen erbeutet worden sein, heißt es aus Moskau.
Der Kreml hatte den Generalstabschef des russischen Heeres persönlich nach Belgorod entsandt, als bekannt wurde, dass die Region angegriffen wird. Auf einem Video ist Lapin angeblich zu sehen, wie er eine Gruppe Soldaten vor sich hertreibt - und dabei offenbar eine Uniform mit sowjetischem Hoheitszeichen (nicht einem russischen) trägt. Dieselbe Uniform trägt er offensichtlich auf den Fotos am MaxxPro, auf denen sein Gesicht sehr deutlich zu erkennen ist.
Welche Version stimmt? Der staatliche russische Fernsehsender Ria Novosti hatte Videos veröffentlicht, die den Einsatz schwerer Artillerie gegen die Angreifer zeigen soll. Auf einem Video sind tatsächlich Fahrzeuge zu erkennen, die offenbar das für die ukrainische Armee typische Plus (+) aufgemalt haben.
Russische Partisanen: Moskau spricht von „ukrainischer Sabotage“
Auf anderen Fotos sind Kämpfer zu sehen, die zu den Partisanen gehören sollen - und die für die Ukrainer typischen gelben Klebebänder an ihren Uniformen tragen. Der Kreml hatte von angeblicher „ukrainischer Sabotage“ gesprochen, was Kiew umgehend dementierte und auf mutmaßliche russische Partisanen verwies.
Die „Legion Freiheit für Russland“ war im Ukraine-Krieg in die internationalen Freiwilligenkorps der ukrainischen Streitkräfte integriert worden. Es soll sich unbestätigten Berichten zufolge ursprünglich um mehr als 100 Überläufer aus der russischen Armee handeln. Laut New York Times wurde die Legion schließlich im August 2022 offiziell gegründet, um es speziell russischen Freiwilligen zu ermöglichen, an der Seite der Ukraine zu kämpfen.
In sozialen Netzwerken hatte die Legion am Dienstag angeblich angekündigt, eine entmilitarisierte Zone in der Oblast Belgorod erzwingen und die Truppen, „die dem Putin-Regime dienen“, zu vertreiben. So sei angeblich eine mechanisierte Infanteriekompanie der russischen Armee zurückgeschlagen worden. Auch diese Aufnahmen lassen sich nicht unabhängig überprüfen.
Angriffe bei Belgorod: Halten die russischen Partisanen Grenzdorf Graiworon?
Laut Kyiv Post erklärte der Gouverneur der Region, Wjatscheslaw Gladkow, dass es nicht möglich sei, „in die beiden Dörfer an der Grenze zu gehen“. Dabei handelt es sich offenbar um Graiworon und Kozinka direkt an der Grenze. Chris York, ein britischer Journalist, der für die Zeitung arbeitet, postet in seinem Twitter-Kanal ein Foto von zwei angeblichen Partisanen an einem der Grenzübergänge. Behauptungen des russischen Verteidigungsministeriums, dass die Aufständischen wieder in die Ukraine vertrieben wurden, bezeichneten diese als „Kauderwelsch“.
Laut New York Times erklärte ein mutmaßlicher Partisane in einer Textnachricht, die der Zeitung vorliegt: „Dies ist die erste Operation der Legion auf russischem Territorium, und in Zukunft wird der Umfang unserer Aktionen nur noch zunehmen.“ Auf anderen Videos soll zu sehen sein, wie die mutmaßlichen Partisanen in die Ukraine zurückkehren. Es bleibt unübersichtlich. (pm)