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Beim Freiheitskampf auf sich gestellt

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Von: Ursula Rüssmann

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Myanmars Minderheiten und die demokratische Opposition ringen um internationalen Beistand.

Die Strafanzeige von Opfern der Militärjunta Myanmars beim deutschen Generalbundesanwalt (GBA) wegen schwerer Menschenrechtsverbrechen hat hierzulande kaum Schlagzeilen gemacht – ganz anders als die Versuche, russische Verantwortliche für Kriegsgräuel in der Ukraine zur Rechenschaft zu ziehen. Offen ist zwar, ob die Anzeige überhaupt zu Anklagen führen kann. Denn eine Anklage setzt laut GBA voraus, dass der oder die Beschuldigte sich in Deutschland aufhält. Doch die Initiative myanmarischer Oppositioneller und der Menschenrechtsorganisation „Fortify Rights“ hat auch eine politische Dimension: Es geht darum, neben dem zivilen und militärischen Widerstand im Land auch international den Druck auf die Junta zu erhöhen.

Die Anzeige beruft sich auf das im deutschen Völkerstrafgesetzbuch verankerte Weltrechtsprinzip. Danach können schwerste Verbrechen hier unabhängig vom Tatort und von der Staatsangehörigkeit der Täter:innen und der Opfer verfolgt werden. Die Anzeigeschrift umfasst mehr als 200 Seiten, beschuldigt werden vor allem hochrangige Militärs. Vorgeworfen wird ihnen die Verantwortung für systematische Tötungen, Vergewaltigungen, Folterungen, Verhaftungen und Verschleppungen. Die 16 Anzeige-Erstattenden repräsentieren laut Fortify Rights sieben ethnische Gruppen, seit 2013 seien dafür mehr als 1000 Interviews mit Opfern geführt worden.

In Myanmar tobt ein Bürgerkrieg. Seit das Militär 2021 gegen die demokratisch gewählte Regierung von Aung San Suu Kyi putschte und friedliche Massenproteste blutig niederschlug, haben sich neben den Rebellengruppen der ethnischen Minderheiten neue bewaffnete „Volksverteidigungskräfte“ (PDFs) gebildet. Sie werden teils von den Rebellengruppen trainiert und von der zivilen Schattenregierung (National Unity Government, NUG) koordiniert. Diese arbeitet im Untergrund und besteht aus ethnischen Minderheitsvertretern und gewählten Abgeordneten.

Die PDFs sollen über 65 000 Kämpfer:innen verfügen, sind aber schlecht bewaffnet. Ihr Vorteil jedoch: hohe Motivation und breite Unterstützung in der Bevölkerung. Der myanmarische Politologe Ye Myo Hein, der seit 2021 im US-Exil lebt und am Thinktank Wilson Center forscht: „Obwohl ihnen schweres Gerät, eine fortschrittliche Kommandostruktur und internationale Unterstützung fehlen, haben die PDFs bemerkenswerten taktischen Einfallsreichtum und Widerstandsfähigkeit bewiesen.“ Mit besserer Bewaffnung könnten sie eine „vielleicht entscheidende Rolle in der künftigen Sicherheitslandschaft Myanmars spielen“.

Laut Wilson Center ist etwa die Hälfte Myanmars umkämpft. In den Gebieten unter Kontrolle ethnischer Gruppen oder der NUG gibt es teils zivile Strukturen. Militärisch sei aber eine Pattsituation erreicht: Die Junta kann den Krieg gegen das Volk weiter mit Geld etwa aus dem Öl- und Gasexport finanzieren. Westliche Sanktionen richten bisher wenig aus. Der Bürgerkrieg setzt der Wirtschaft Myanmars stark zu. 18 Millionen Menschen sind laut UN auf humanitäre Hilfe angewiesen (vor dem Putsch: eine Million). Der Opiumanbau blüht. Eine Million Rohingya sind nach Bangladesch geflohen, viele weitere Opfer in andere Staaten. Das gefährdet potenziell die Stabilität der Region. Myanmars Schattenregierung fordert von der Staatengemeinschaft weitere „aggressive“ Sanktionen gegen das Militär und seine Unterstützer.

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