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Wie Konzerte und Messen klimafreundlich werden können

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Versuchen, ihre Konzerte so ökologisch wie möglich zu machen: Coldplay auf der „Music of the Spheres“-Tour 2022 in London.
Versuchen, ihre Konzerte so ökologisch wie möglich zu machen: Coldplay auf der „Music of the Spheres“-Tour 2022 in London. © IMAGO/Pro Sports Images

Musik- und andere Veranstaltungen wollen klimaneutral werden - auch ein Siegel ist geplant. Doch das ist gar nicht so einfach.

Coldplay, Massive Attack und Billie Eilish, die Ärzte, die Toten Hosen und Deichkind. Was vereint sie alle? Sie machen Musik für mehr oder minder junge Leute, und es handelt sich um Top Acts, zu denen Zehntausende auf die Konzerte strömen. Aber nicht nur das: Sie sind auch aktiv für mehr Klima- und Umweltschutz. Die britische Band Coldplay, Vorreiterin der Bewegung, kündigte 2019 an, erst wieder Konzerte zu spielen, „wenn das so nachhaltig wie derzeit möglich geht“.

Inzwischen tourte Coldplay wieder, im Sommer 2022 war die Band im Frankfurter Waldstadion und im Olympiastadion in Berlin, mit Biokerosin für den Crew-Jet, Ökostrom beim Konzert und einer kinetischen Tanzfläche, auf der das Publikum selbst Elektrizität erzeugt.

Und für jedes verkaufte Ticket, so wurde versprochen, lasse man einen Baum pflanzen. Auch US-Jungstar Billie Eilish und ihr Team bemühen sich darum, die Tourneen so „grün“ wie möglich zu gestalten. Und „Ärzte“ und „Hosen“ machten ihre Gigs auf dem Tempelhofer Feld in Berlin im vorigen Jahr sogar zu einem Öko-Event gemäß dem Nachhaltigkeitslabel Cradle to Cradle, das eine konsequente Kreislaufwirtschaft vorschreibt.

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Viele Bands und Künstler:innen weltweit haben sich dem Bündnis „Music Declares Emergency“ angeschlossen, das die Musikindustrie emissionsfrei machen will und fordert, Klimaziele früher zu erreichen. Es hat auch einen deutschen Ableger. Zudem gibt es hierzulande eine „Green Music Initiative“, gegründet von dem Ex-Musik-Manager Jacob Sylvester Bilabel, die sich als Plattform zur Förderung einer klimaverträglichen Musik- und Entertainmentbranche versteht.

Coldplay handelte sich mit der Aktion nicht nur Zustimmung, sondern auch Ärger ein. Es gab Kritik an der Zusammenarbeit mit dem finnischen Agrosprit-Hersteller Neste wegen möglicher Nutzung von Palmöl für das „Öko“-Kerosin, ebenso aufgrund der Kooperation mit dem Autokonzern BMW, der wiederaufladbare Batterien für Elektrofahrzeuge zur Verfügung stellte. Trotzdem machte sie auch weniger klimabewussten Fans klar, dass Veranstaltungen normalerweise alles andere als umweltfreundlich sind – wobei Konzerte oder Festivals mit mehreren Zehntausend Fans natürlich einen besonders großen CO2-Fußabdruck haben.

Die Bedeutung der Branche für den Klimaschutz darf nicht unterschätzt werden. Der Musik- und Veranstaltungssektor war hierzulande zumindest bis vor der Corona-Pandemie der sechstgrößte Wirtschaftszweig. Neben Konzerten der U- und E-Musik gibt es eine Vielzahl von weiteren Events, darunter Messen, Kongresse, Sporttreffen. Laut dem einschlägigen „Meeting- & Event-Barometer Deutschland“ fanden 2019 bundesweit rund 2,9 Millionen Veranstaltungen in etwa 7600 Locations statt; insgesamt mit 423 Millionen Teilnehmer:innen. Und es darf erwartet werden, dass diese Vor-Corona-Zahlen in absehbarer Zeit wieder erreicht werden. Umso mehr ist es ein Signal, dass die Veranstaltungsbranche die Herausforderung offenbar erkannt hat. Der Dachverband der Veranstaltungszentren in Europa (EVVC) hat das Ziel ausgegeben, „Klimaneutralität“ in den bei ihm organisierten Locations bis 2040 zu erreichen.

Klimafreundliche Konzerte: „Blauer Engel“ für Events ist geplant

Umgesetzt werden soll das laut einem Elf-Punkte-Papier dazu unter anderem durch folgende Schritte: gute Gebäudedämmung möglichst bis hin zum sogenannten Passivhaus-Standard, Heizungen mit Ökoenergie und energiesparende Veranstaltungstechnik, 100 Prozent Ökostrom bis 2030, Nachhaltigkeit als Kriterium für Ausschreibungen, weniger Abwasser und Abfall, Catering unter Berücksichtigung von Klima- und Ressourcenschutz sowie umweltfreundliche Anreisen der Besucher:innen.

Alleine die multifunktionalen Veranstaltungshallen sind laut EVVC hierzulande pro Jahr für etwa 300 000 Tonnen CO2 verantwortlich (Stand 2018). Der in Frankfurt am Main ansässige Verband, in dem rund 650 Veranstaltungslocations vom Stadion in der Mainmetropole über die Messe Berlin bis zur Wiener Stadthalle Mitglied sind, betont allerdings die Finanzfrage. Aus den normalen Einnahmen seien die Schritte alleine nicht zu stemmen. So bedürfe es wegen der nötigen „erheblichen Investition in die energetische Sanierung der Häuser“ Unterstützung nicht nur der kommunalen Träger, sondern auch von Bund und Ländern.

Den Öko-Anspruch will man dann auch mit dem bekannten Ökosiegel „Blauer Engel“ sichtbar machen, der für besonders nachhaltige Events und Veranstaltungszentren gelten soll. Wie genau die Kriterien dafür aussehen sollen, darüber führt das EVVC mit dem Umweltbundesamt (UBA) Gespräche, das das Umweltzeichen vergibt. Ein Treffen mit dem UBA dazu fand in dieser Woche auf der „Sustainable Event Conference“, dem größten Nachhaltigkeitskongress der Veranstaltungsbranche, statt. Dort, am Sitz der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), wurde klar, dass die Branche nach der Corona-Krise in der Tat einen grünen Neustart plant.

Klimafreundliche Konzerte: Die veganen Wraps waren nicht so beliebt wie die Bratwurst

DBU-Generalsekretär Alexander Bonde sagte der FR dazu: „Die Veranstaltungsbranche muss viel stärker als bisher in den Blick genommen werden, wenn wir auf Bundes- und EU-Ebene die Klimaziele erreichen wollen.“ Mit energetischen Maßnahmen könnten die Emissionen der Veranstaltungshäuser fast um die Hälfte reduziert werden. Hier gebe es aber einen Sanierungsstau, den es zu überwinden gelte. „Wie das gehen kann, zeigen erfolgreiche Sanierungen der Osnabrück-Halle hier in Osnabrück ebenso wie der Messe Frankfurt“, sagte Bonde. Und benannte weitere Stellschrauben für mehr Klima- und Umweltschutz in dem Bereich: „Es geht vom klimaschonenden Anreisen der Teilnehmenden über energiesparende Livestreams und zu papierlosen Kongressen bis zum Catering mit regionalen und saisonalen Produkten.“

Manches ist dabei für viele noch gewöhnungsbedürftig. Beim Ärzte-Open-Air-Konzert in Berlin letztes Jahr zum Beispiel waren die Schlangen vor dem Thüringer-Bratwurst-Stand deutlich länger als die vor dem mit dem veganen Wrap. Aber das kann ja noch werden.

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