1. Startseite
  2. Politik

Beifall der falschen Seite

Erstellt: Aktualisiert:

Von: Thomas Roser

Kommentare

Jakov Milatovic ist ist im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl in Montenegro Favorit.
Jakov Milatovic ist ist im zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahl in Montenegro Favorit. © SAVO PRELEVIC / AFP

Der Wahl-Favorit in Montenegro muss sich einer Kampagne erwehren.

Über drei Jahrzehnte an den Schalthebeln der Macht hat Montenegros schillernder Dauerregent Milo Ðukanovic bereits auf dem Buckel. Amtsmüde ist er nicht. Doch ob das gewiefte Politfossil seine von Korruptionsskandalen und Mafia-Vorwürfen überschattete Karriere bei der Stichwahl der Präsidentenkür am Sonntag noch einmal verlängern kann, ist ungewiss.

Die von ihm geführte Partei DPS wurde bereits bei den Parlamentswahlen 2020 in die Opposition verbannt. Und trotz eines Etappensiegs im ersten Wahlgang, in dem der 61-Jährige mit 35,2 Prozent vorn lag, geht der angeschlagene Platzhirsch als Außenseiter in das Duell gegen seinen 24 Jahre jüngeren Herausforderer, den früheren Wirtschaftsminister Jakov Milatovic (29,2 Prozent). Weil fast alle der ausgeschiedenen Kandidaten ihn unterstützten, brauche Ðukanovic „ein Wunder, um doch noch zu gewinnen“, so die Agentur „Balkan Insight“.

Diesem Wunder versucht der routinierte Ränkeschmied nach Kräften nachzuhelfen. Zusätzliche Stimmen erhofft er sich von den nationalen Minderheiten und aus der Diaspora: Auf Stimmenfang tingelte er in dieser Woche selbst ins deutsche Hannover. Doch obwohl sich die meisten Minderheitenparteien vor dem ersten Wahlgang für Ðukanovic aussprachen, blieben ungewohnt viele ihrer Wähler:innen Zuhause.

Steht Milatovic wirklich Serbien nah?

Dagegen fand das Bestreben, seinen Rivalen Milatovic wegen dessen Zugehörigkeit zur Serbisch-Orthodoxen Kirche als Sachverwalter großserbischer und russischer Interessen abzustempeln, auffällig großen Widerhall.

Doch ist der 37-jährige Ökonom und Oxford-Absolvent tatsächlich ein Mann Belgrads und Moskaus? Vor drei Jahren gab Milatovic seinen gut bezahlten Job bei der Europäischen Entwicklungsbank (EBRD) in Bukarest auf, um als Parteiloser ins Kabinett des damaligen Premiers Zdravko Krivokapic einzutreten. Die wenig homogene und im Frühjahr 2022 vorzeitig gescheiterte Koalition wurde auch von der Belgrad-hörigen DF getragen.

Trotzdem waren die Beziehungen dieser Regierung zu Serbien eher gespannt: Mit demonstrativer diplomatischer Missachtung wurde Premier Krivokapic bei seinem späten Antrittsbesuch im Herbst 2021 am Belgrader Flughafen nicht von Serbiens Regierungschefin, sondern vom Landwirtschaftsminister in Jeans empfangen.

Ein serbischer Ultranationalist unterstützt einen der Kanidadten

Milatovic selbst war 2022 einer der Mitbegründer der Bewegung „Europa jetzt“, die für die Beschleunigung der EU-Beitrittsverhandlungen streitet. Doch es ist eine unerbetene Wahlempfehlung eines serbischen Kriegsverbrechers, die dem Pro-Europäer nun das Label eines großserbischen Nationalisten beschert hat.

Denn der serbische Ultranationalist Vojislav Šešelj verkündete vergangene Woche in einer TV-Talkshow, das Wichtigste sei jetzt, „dass wir aus Serbien Milatovic unterstützen, um das Problem Ðukanovic zu lösen“. Šešelj‘ vermeintliche Sympathie für den ihm völlig unbekannten Politnovizen führte in der ganzen Region zu bestürzten Solidaritätsbekundungen für Ðukanovic.

Ein Kommentator der Zeitung „Vijesti“ in Podgorica erinnert hingegen daran, dass Ðukanovic und der Kriegsverbrecher schon lange freundschaftliche Bande pflegten. So habe er Šešelj bereits 1998 nach der erstmaligen Wahl zum Präsidenten zu seiner Inauguration eingeladen und ihm nach dem Freispruch in erster Instanz vor dem UN-Tribunal 2016 selbst in warmen Worten „zur Freiheit gratuliert“. „Vijesti“ wittert in dem TV-Auftritt von Šešelj und dem folgenden Pressewirbel eine inszenierte und „gut koordinierte Aktion“, denn: „Die Wahlchancen sinken für jeden, den Šešelj unterstützt.“

Auch interessant

Kommentare