Erdogan lässt unliebsame Bauunternehmer nach Erdbeben in der Türkei verhaften
Nach dem Erdbeben in der Türkei wurden viele Bauunternehmer festgenommen, weil ihre Bauten fehlerhaft waren. Wer aber zur AKP gehört, bleibt bislang verschont.
Ankara - Nach dem verheerenden Erdbeben in der Türkei hat es bereits zahlreiche Festnahmen von Bauunternehmern gegeben, die fehlerhaft gebaut haben sollen. Zu ihnen zählt auch Mehmet Yasar Coskun, der am vergangenen Freitag am Flughafen in Istanbul festgenommen wurde. Er wollte nach Montenegro fliegen. Yasar hatte in Hatay das „Rönesans Rezidans“ gebaut, ein 12-stöckiges Wohngebäude mit 250 Wohnungen, das komplett zerstört wurde. Coskun soll eine Tasche voller Geld bei sich getragen haben.
Am vergangenen Samstag wurde der Bauunternehmer Hasan Aplpargün ebenfalls festgenommen. Der Unternehmen war auf dem Weg nach Zypern. In dem vom ihm gebauten Wohngebäude mit 32 Wohnungen in Adana waren beim Erdbeben 80 Menschen ums Leben gekommen. Nur eine Person soll überlebt haben.
Türkei: Bauunternehmer von AKP bleibt nach Erdbeben verschont – Machtspiel von Erdogan?
Allerdings werden andere Bauunternehmer bislang nicht zur Verantwortung gezogen. Zu ihnen zählt auch Sahin Avsaroglu, dem das Bauunternehmen „Melsa Insaat“ gehört. Bei dem Erdbeben wurden zwei Blöcke eines von ihm gebauten Wohn- und Geschäftskomplexes in Kahramanmaras komplett zerstört, das Dritte schwer beschädigt. In den 140 Wohnung des Wohngebäudes sollen Dutzende getötet worden sein. Avsaroglu ist allerdings AKP-Vorsitzender im Bezirk Dogukent bei Kahramanmaras.

Bislang ist auch gegen Behörden nichts unternommen worden, die etwa Gebäude Genehmigungen erteilen oder diese kontrollieren müssen. Waren die Bauvorschriften nach dem verheerenden Erdbeben 1999 verschärft worden, wurden sie aber während des AKP-Regimes seit 2002 wieder gelockert. Fr.de hatte darüber berichtet, dass fehlerhafte Gebäude schon vor 2019 nachträglich von Präsident Recep Tayyip Erdogan durch einen sogenannten „Baufrieden“ genehmigt wurden. Hunderttausende Bauten sollen davon betroffen sein.
Strafanzeigen wegen nach Erdbeben eingestürzter Gebäude
Inzwischen mehren sich die Strafanzeigen wegen der eingestürzten Gebäude. So hat der Oppositionsabgeordnete und Rechtsanwalt, Mahmut Tanal (CHP), gegen verantwortliche Bauunternehmer, Bauingenieure und Architekten sowie Mitarbeiter der Baubehörden, die die betroffenen Bauten gebaut oder genehmigt haben oder für ihre Kontrolle zuständig waren, Strafanzeige gestellt. Tanal wirft diesen Personen unter anderem vorsätzliche Tötung vor. Auch mehrere Rechtsanwält:innen aus den Istanbuler Stadtteilen Beşiktaş, Fenerbahce und Galatasaray haben Strafanzeige wegen der Mängel in den eingestürzten Gebäuden bei der Generalstaatsanwaltschaft gestellt.
Die pro-kurdische HDP ist wegen der Vernachlässigungen an den eingestürzten Bauten und der mangelnden Hilfen nach dem Erdbeben empört. „Niemand wurde wegen des Erdbebens getötet. Die Vernachlässigungen der Regierung haben getötet“, sagte HDP-Sprecherin Ebru Günay nach dem Erdbeben. Auch die Profitgier sei Grund für das Ausmaß der Katastrophe. Während die Regierung die Zahl der Todesopfer mit rund 32.000 angibt, geht die Opposition von bis zu 280.000 Todesopfern aus. (Erkan Pehlivan)