Wegen Rassismus-Kritik: Dozentin fliegt von Polizeihochschule

Nach einem Tweet erfährt eine Dozentin für Interkulturelle Kompetenz einen Shitstorm und verliert ihren Lehrauftrag an der Polizeihochschule NRW. Sie spricht von „Cancel Culture“.
Frankfurt – Der Fall einer Dozentin der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW (HSPV NRW), die nach einem Tweet ihren Lehrauftrag verloren hat, sorgt im Netz für eine hitzige Debatte. Mit einem emotionalen Tweet über rechtsextreme Strukturen in der Polizei hat die Lehrerin Bahar Aslan für Empörung gesorgt, nachdem Focus Online darüber berichtet hatte.
Die HSPV NRW hat daraufhin beschlossen, einen für das neue Semester geplanten Lehrauftrag für Aslan wieder zurückzunehmen, wie ZEIT ONLINE einen Sprecher des Innenministeriums von NRW zitiert. Die türkischstämmige Lehrerin habe die Studierenden in Interkultureller Kompetenz unterrichtet. Auf Anfrage von ZEIT ONLINE bestätigte die Hochschule diese Entscheidung am 22. Mai.
Bahar Aslan, die hauptberuflich als Lehrerin an einer Gelsenkirchener Hauptschule tätig ist, hatte am Samstag (20. Mai) einen emotionalen Kommentar über rechtsextreme Strukturen und Rassismus in der Polizei getwittert und dabei von „braunem Dreck“ geschrieben, der ihr und ihren Freund:innen Angst mache. Damit würde sie die „Realität (...) von vielen Menschen in diesem Land“ beschreiben.
Polizeihochschule: Dozentin ist „ungeeignet“ für die Lehre
Aslan sei „aufgrund ihrer aktuellen Äußerungen ungeeignet, sowohl den angehenden Polizistinnen und Polizisten als auch den zukünftigen Verwaltungsbeamtinnen und -beamten eine vorurteilsfreie, respektive fundierte Sichtweise im Hinblick auf Demokratie, Toleranz und Neutralität zu vermitteln“, so die Hochschule laut ZEIT ONLINE.
Zuvor war die Kritik an ihrer Äußerung heftig ausgefallen, nachdem Focus Online tendenziös darüber berichtet hatte. Der NRW-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Michael Mertens verlangte eine straf- und arbeitsrechtliche Prüfung von Aslans Aussagen. „Wer sich öffentlich so äußert, will die Gesellschaft spalten. Konstruktive Diskussion ja, so allerdings nicht!“, sagte er Focus Online.
Der nordhrein-westfälische CDU-Innenpolitiker Christos Katzidis nannte Aslans Äußerungen auf Twitter „unerträglich und untragbar“ und wertet deren Inhalt als strafbar. „Jemand der eine ganze Berufsgruppe verunglimpft und so eine üble Nachrede begeht, die im Übrigen strafbar ist, hat weder etwas an einer Schule noch an einer Hochschule zu suchen“, so Katzidis.
Dozentin verteidigt sich und räumt eine „unglückliche Wortwahl“ ein
Gegen diese Vorwürfe verteidigte sich Aslan auf Twitter. Es habe sich nicht um eine Pauschalverurteilung aller Polizist:innen gehandelt. Mit der Bezeichnung „brauner Dreck“ habe sie „ausschließlich die Gesinnung der Beamt*innen die menschenverachtend und rassistisch unterwegs sind“, gemeint. Dem CDU-Politiker Katzidis warf sie üble Nachrede vor. In mehreren Tweets spricht sie von einer Verleumdungskampagne gegen sie.
In einem am Montag (22. Mai) veröffentlichten Interview mit ZEIT ONLINE räumte Aslan eine „unglückliche Wortwahl“ ein. „Es tut mir leid, wenn sich Polizisten angesprochen fühlen, die vorbildlich ihren Dienst tun“, sagte Aslan. Ihren Tweet, den sie nicht gelöscht hat, bereue sie aber nicht. „Ich werde zu Missständen nicht schweigen“, betont sie. „Das will nicht jeder hören, ganz besonders nicht von einer Frau in einer männerdominierten strukturkonservativen Behörde.“
Dozentin über Rausschmiss von Polizeihochschule: „Genau das ist Cancel Culture“
Aslan, die in der rassismuskritischen Bildungsarbeit engagiert ist, zeigt sich im Interview enttäuscht über die Reaktion ihrer Hochschule. „Ich bin überrascht, dass sie das gemacht haben, ohne mit mir zu reden. Ich hatte dem Fachbereichsleiter und dem Innenministerium jeweils ein Gesprächsangebot gemacht.“ Bereits kurz nachdem sie ihren Tweet über den „braunen Dreck“ in der Polizei abgesetzt hatte und mit Hassbotschaften überhäuft worden war, erklärte Aslan sich in einem langen Thread.
Der Shitstorm, den sie seit Samstag (20. Mai) erlebe, sei „wirklich heftig“. Sie habe viele rassistische und sexistische Beleidigungen erfahren und sei bedroht worden. „Von Abstechen ist die Rede oder davon, dass ich mich in mein Land ‚zurückverpissen‘ soll“, so Aslan. Die sofortige Beendigung ihres Lehrauftrags sei „krass“ und ein bedenkliches Signal. „Es bedeutet, dass eine demokratische Institution wie das Innenministerium vor Rassismus einknickt. Genau das ist Cancel Culture.“
Sie habe aber auch viel Unterstützung erhalten, auch von Studierenden und einem Lehrbeauftragten der HSPV. Das stimme sie zuversichtlich. „Sie haben verstanden, worum es mir geht: rechte Strukturen, Rassismus und Diskriminierung innerhalb der Polizei zu benennen. Es gibt hier ein Problem und damit muss man sich beschäftigen.“