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Annalena Baerbock: Russlands Lieblingsfeindin zu Gast in Moskau

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Von: Stefan Scholl

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Geschäftsmäßig diplomatisch und nicht mal unfreundlich: Baerbock und Lawrow an der Spitze ihrer Delegationen.
Geschäftsmäßig diplomatisch und nicht mal unfreundlich: Baerbock und Lawrow an der Spitze ihrer Delegationen. © RUSSIAN FOREIGN MINISTRY/HANDOUT/AFP

Außenministerin Annalena Baerbock ist zu Besuch in Moskau. Im Gespräch mit Außenminister Sergej Lawrow bietet sie Russland diverse Auswege aus der Krise.

Moskau – Im Ganzen sei die Diskussion sehr nützlich gewesen, sagte Sergej Lawrow. Es gebe in vielen Fragen Widersprüche, „aber der Meinungsaustausch hat gezeigt, dass wir diese Widersprüche schrittweise überwinden können“. Am Dienstag empfing Russlands Außenminister seine deutsche Kollegin Annalena Baerbock zu deren Antrittsbesuch in Moskau. Der russische Chefdiplomat fand deutlich freundlichere Worte für die Deutsche, als viele nach dem heftigen rhetorischen Schlagabtausch bei den Verhandlungen Russlands mit dem Westen vergangene Woche erwartet hatten.

Baerbock ihrerseits sprach von „großen, teilweisen fundamentalen Meinungsverschiedenheiten“. Sie verwies auf die Menschenrechtslage und gemeinsame Regeln, ohne die es im europäischen Haus keine Sicherheit gebe. Auf den Punkt gebracht: „In den letzten Wochen wurden über 100 000 russische Soldaten an der ukrainischen Grenze konzentriert – ohne ersichtlichen Grund.“ Baerbock klagte, seit ihrem Amtsantritt habe man weniger über Zusammenarbeit verhandelt als über gemeinsame Schritte des Westens, falls Russland seine Drohung verwirkliche, Gewalt anzuwenden.

Annalena Baerbock gilt als Russlands Lieblingsfeindin

Die Grüne gilt als Moskaus Lieblingsfeindin, als erwiesene Sympathisantin der Ukraine, Kritikerin des Kreml im Allgemeinen und der Nord-Stream-2-Pipeline im Besonderen. Aber Annalena Baerbock schien gerade im eigenen Parteiprogramm nach Feldern gemeinsamer Interessen gesucht zu haben, redete ausführlich über Russlands enormes Potenzial, was erneuerbare Energien angehe. Allein durch die Anpflanzung neuer Wälder könne Russland einen enormen Beitrag zur Bindung von Treibhausgasen leisten. Außerdem brauche man ein verlässliches Russland als Lieferant für Gas, das Europa noch einige Jahre benötige. Baerbock ging sehr demonstrativ auf die Russen zu.

Und wie schon bei ihrer Visite am Vortag in Kiew redete sie über die Wiederbelebung der Friedensverhandlungen im Donbass-Konflikt. Es sei sehr gut, dass alle Beteiligten sich zu den Minsker Vereinbarungen und den Gesprächen im Normandie-Format bekannt hätten.

Eine Offerte von der Nato

Im Bemühen um eine diplomatische Beilegung des Ukraine-Konflikts hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg Russland und die Bündnispartner zu weiteren Treffen eingeladen. In einer „Reihe von Gesprächen“ solle es darum gehen, die Sorgen der Nato-Staaten anzusprechen, aber auch „den Besorgnissen Russlands Gehör zu schenken“, sagte Stoltenberg am Dienstag im Beisein von Bundeskanzler Olaf Scholz in Berlin.

Stoltenberg will zuerst „Fortschritte an der politischen Front“ machen, um einen militärischen Angriff auf die Ukraine zu verhindern. Die Nato sei bereit, sich in den nächsten Tagen und Wochen „mit Russland zusammenzusetzen und dann auch konkrete schriftliche Vorschläge auf den Tisch zu legen, mit dem Ziel, ein konstruktives Ergebnis zu erreichen“.

Der Nato geht es um eine Verbesserung der Kommunikation, aber auch um Themen wie europäische Sicherheit und Minimierung von Risiken. „Hauptaufgabe“ bleibe aber Sicherheit für die Ukraine. afp

In Kiew hatte die Außenministerin aber auch das Nein des Westens zu Russlands Forderung nach einem garantierten Aufnahmeverbot für die Ukraine in die Nato wiederholt. „Kein Land hat das Recht, anderen Ländern vorzuschreiben, in welche Richtung sie gehen.“ Die russische Staatsagentur RIA Nowosti interpretierte das Bekenntnis grimmig als „Drang nach Osten“.

Russland: Lawrow und Baerbock sprechen auch über den Staatssender RT DE

Außenminister Lawrow ging aber auf Baerbocks Vorschläge ein, den Minsker Friedensprozess neu zu starten. Viel Neues sagte er nicht. Wie üblich beschwerte er sich, dass man Russland als Konfliktpartei statt als Vermittler betrachte und dass die Ukraine die Verhandlungsergebnisse boykottiere.

Aber mit Blick auf den letzten Normandie-Gipfel in der französischen Hauptstadt 2019 gab er zu verstehen, dass es auch aus russischer Sicht durchaus Verhandlungsergebnisse gibt, an die man anknüpfen könnte. „Berlin und Paris müssen (den ukrainischen Präsidenten) Selenskyj dazu nötigen, das zu erfüllen, was er so oft versprochen hat.“ Auch parallele Bemühungen der USA in dieser Richtung würde er begrüßen.

Doch es bleibt ungewiss, ob die Friedensgespräche zum Donbass wieder in Gang kommen. Baerbock sagte, noch habe man nicht über konkrete Termine für ein neues Treffen der Außenressorts im Normandie-Format gesprochen. Russland aber erwartet in dieser Woche von den USA und der Nato schriftliche Antworten auf ihre mündlich schon vielfach abgelehnten Forderungen zur Garantie der eigenen Sicherheit. Danach will Moskau entscheiden, ob und welche „militärtechnischen“ Schritte es ergreifen werde.

Richtigen Streit gab es zwischen Baerbock und Lawrow auf einem Nebenschauplatz. Der Russe warf dem offiziellen Berlin vor, entgegen alle internationaler Konventionen über Pressefreiheit zu verhindern, dass der russische Staatssender RT DE eine Sendelizenz für Deutschland erhalte. „Wenn nötig, werden wir einfach gezwungen sein, Gegenmaßnahmen zu ergreifen“ sagte er mit Blick auf die deutsche Presse in Russland. Baerbock verwies dagegen darauf, dass der deutschsprachige RT DE via Internet allen zugänglich sei. Und Youtube, das den Kanal blockiert, fälle seine Entscheidungen selbst. „Eine Einmischung der deutschen Regierung würde auch der deutschen Verfassung widersprechen.“

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