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Bachmut: Wie lange kann die Ukraine die Stadt noch halten?

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Von: Felix Durach

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Um Bachmut tobt aktuell wohl die blutigste Schlacht des bisherigen Ukraine-Kriegs. Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zur aktuellen Lage.

München – Bereits seit Monaten kämpfen ukrainische und russische Truppen im Ukraine-Krieg um die Kontrolle über Bachmut. Seit Wochen wird über einen möglichen Rückzug der Ukraine aus der Stadt in der Region Donezk spekuliert. Am Dienstag soll es jetzt russischen Wagner-Söldnern gelungen sein, die östliche Hälfte der Stadt einzunehmen. Der Fall Bachmuts könnte unmittelbar bevorstehen. Merkur.de beantwortet die wichtigsten Fragen zu den Kämpfen.

Freiwillige Soldaten feuern auf russische Stellungen nahe der umkämpften Stadt Bachmut.
Freiwillige Soldaten feuern auf russische Stellungen nahe der umkämpften Stadt Bachmut. © dpa

Ist Bachmut schon gefallen?

Nein. Am Donnerstagnachmittag (15.3.) befindet sich Bachmut noch nicht vollständig unter russischer Kontrolle. Ukrainische Streitkräfte halten die Gebiete westlich des Flusses Bachmutka nach wie vor. Russlands Truppen haben in den vergangenen Wochen jedoch kontinuierliche – wenn auch langsame – Fortschritte in den Gebieten um die Stadt gemacht. Am Wochenende meldete Söldner-Chef Jewgeni Prigoschin die Einnahme von mehreren Ortschaften im Nordosten der Stadt. Am Mittwochmorgen erklärte „Putins Koch“ dann, dass seine Wagner-Söldner die östliche Hälfte der Stadt unter ihre Kontrolle gebracht hätten.

Zuvor hatten russische Truppen und Wagner-Söldner über Monate hinweg versucht, die Stadt einzukesseln und alle Nachschubrouten abzukappen. Dass man nun wohl auch tatsächlich in die Stadt vorgedrungen ist, kann als wichtiger Zwischenerfolg für Russland angesehen werden. Damit Bachmut als „gefallen“ angesehen werden kann, müssten die russischen Truppen die verbliebenen ukrainischen Truppen aus den Gebieten westlich des Flusses Bachmutka zurückdrängen.

Nachrichten von der Frontlinie

Die Informationen aus dem Kriegsgebiet können aktuell von Außenstehenden nicht überprüft werden. Beide Kriegsparteien könnten dabei auch Falschinformationen als taktisches Mittel verbreiten, um Vorteile auf dem Schlachtfeld zu erlangen.

Wann könnte Bachmut fallen?

Prognosen, ob und wann Bachmut fallen könnte, sind aktuell nur schwer zu treffen. Bereits seit mehreren Tagen kursieren Berichte, dass Kiew einen Rückzug seiner Truppen bereits eingeleitet habe. Die ukrainische Militärführung widersprach den Berichten jedoch immer wieder. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg erklärte am Mittwoch wiederum, dass Bachmut „in den nächsten Tagen“ fallen könnte.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte in den zurückliegenden Wochen jedoch immer wieder betont, dass man Bachmut halten wolle und die Stadt zur „Festung“ ausgerufen. Sollte die Situation jedoch zunehmend aussichtsloser werden, könnten sich die ukrainischen Verteidiger nach Westen in die Stadt Tschassiw Jar zurückziehen.

Welchen strategischen Wert hat Bachmut?

Die strategische Bedeutung von Bachmut im Ukraine-Krieg ist aktuell nicht vollends geklärt. Vor dem Krieg beherbergte die Stadt 70.000 Einwohner und war vor allem für die naheliegenden Salzminen bekannt. Durch die andauernden Kämpfe wurde ein Großteil der Stadt stark beschädigt. Lediglich 4.000 Zivilisten sollen noch in der Stadt ausharren.

Diverse Offizielle betonten zuletzt jedoch auch den strategischen Wert der Stadt. „Nach Bachmut könnten sie weitergehen. Sie könnten nach Kramatorsk gehen, nach Slowjansk“, sagte Selenskyj in einem Interview mit CNN mit Blick auf die russischen Angreifer. Sollte Bachmut fallen, sei den Russen der Weg in andere Landesteile offen. „Deswegen stehen unsere Jungs dort.“ Auch Stoltenberg prognostizierte, dass die russischen Truppen beim Fall Bachmuts „freie Bahn“ für weiter Eroberungen in Richtung Westen hätten.

Einen kriegsentscheidenden Effekt hätte die Einnahme von Bachmut durch Russland wohl nicht. „Der Fall von Bachmut bedeutet nicht notwendigerweise, dass die Russen das Blatt in diesem Kampf gewendet haben“, erklärte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin am Montag. Er schreibt der Stadt vor allem einen symbolischen Wert zu. Auch der Historiker Nikolai Alexandrowitsch Mitrochin sagte gegenüber Al Jazeera: „Sein Verlust wird sich nur unwesentlich auf den Krieg auswirken.“

Warum kämpfen beide Seiten schon so lange um die Stadt?

Der symbolische Wert der Stadt ist sicherlich auch der Hauptgrund dafür, dass die Kämpfe um die Stadt bereits seit mehreren Monaten andauern. Die ukrainische Militärführung hat in den vergangenen Monaten klargemacht, dass man keinen Meter Land kampflos an die russischen Invasoren abtreten wolle. Der Kreml muss somit für jeden Meter Gebietsgewinn den Verlust von unzähligen Soldaten in Kauf nehmen. Kiew könnte auch versuchen, einen symbolischen Erfolg Russland so weit wie möglich hinauszuzögern.

Denn Russland auf der anderen Seite braucht Erfolge im Ukraine-Krieg. Die Offensivbemühungen der Kreml-Streitkräfte sind seit dem vergangenen Sommer extrem ins Stocken geraten. Nach der Einnahme der Stadt Lyssytschansk in der Region Luhansk konnte die russische Armee über Monate hinweg keine bedeutenden Siege auf dem Schlachtfeld feiern. Erst mit der Einnahme der Stadt Soledar nordöstlich von Bachmut durch Wagner-Söldner im Januar konnte wieder ein Gebietsgewinn markiert werden. Sollte es den russischen Truppen gelingen, Bachmut nach unerbittlichen Kämpfen endlich einzunehmen, könnte Russlands Propaganda-Maschine diesen Sieg vor allem symbolisch ausschlachten.

Welche Verluste gibt es auf beiden Seiten?

Die Verluste, die Russland für diesen symbolischen Erfolg in Kauf nimmt, sind jedoch enorm. Vor allem die Wagner-Gruppe soll bislang beim Kampf um die Stadt unzählige Söldner verloren haben. Das liegt vor allem an der Taktik der Privatarmee, bei der schlecht ausgebildete Rekruten in vorderster Front auf die Stadt zustürmen müssen und regelrecht aufgerieben werden.

Auch die ukrainischen und russischen Streitkräfte haben jedoch hohe Verluste verzeichnen müssen. Ukrainische Offizielle gaben an, dass die Verteidiger für jeden gefallenen ukrainischen Soldaten ihrerseits sieben russische Soldaten getötet hätten. Westliche Schätzungen gehen von konservativeren Verlustverhältnissen aus, sehen jedoch ebenfalls den Vorteil bei der ukrainischen Armee. Einem Bericht der britischen BBC zufolge soll Russland zwischen 20.000 und 30.000 Soldaten verloren haben. Genaue Zahlen können aktuell jedoch nicht überprüft werden.

Was kommt nach Bachmut?

Sollte Bachmut fallen, werden sich die ukrainischen Verteidiger wohl zunächst in die etwa fünf Kilometer entfernte Stadt Tschassiw Jar zurückfallen lassen. Beobachter rechnen damit, dass eine russische Belagerung angesichts des Frühlingswetters mit nassem Boden und des unwegsamen Geländes westlich von Bachmut erst in den kommenden Wochen erfolgen könnte.

Das langfristige Ziel der russischen Armee dürften aber die Städte Kramatorsk und Slowansk nahe der Grenze zur Region Charkiw sein. Kramatorsk ist in etwa dreimal so groß wie Bachmut und diente dem ukrainischen Militär bisher als Hauptquartier in der Region Donezk. Die Militärexperten Christian Mölling und András Rácz erklärten in einem Beitrag für das ZDF, dass die ukrainischen Verteidigungslinien in der Stadt russischen Angriffen über mehrere Monate hinweg standhalten könnten.

Während dieser Zeit erhält die Ukraine auch neue Waffenlieferungen aus dem Westen. Die viel diskutierten Leopard-2-Panzer sollten bis zum Frühling im Kriegsgebiet eingetroffen sein und könnten dem ukrainischen Militär weitere Vorteile verschaffen. Sollte es den russischen Truppen am Ende gelingen, Kramatorsk und Slowjansk einzunehmen, würden sie einen Großteil der Regionen Donezk und Luhansk kontrollieren – ein erklärtes Ziel des russischen Macht-Elite. (fd)

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