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AFD
Politologe Lühmann zur AfD: „Aufgeheizt und ängstlich“
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Der Göttinger Politologe Lühmann spricht im FR-Interview über die ideologischen Grabenkämpfe und das Kalkül der Strategen auf dem AfD-Parteitag in Dresden am Wochenende.
Herr Lühmann, an diesem Wochenende findet der AfD-Bundesparteitag statt. Die Delegierten beschließen das Wahlprogramm, aber sie nominieren keinen Spitzenkandidaten zur Bundestagswahl. Warum nicht?
Da sind zwei widerstreitende Lager am Werk: das Flügel-Lager und das Meuthen-Lager. Keiner gönnt dem anderen die Partnerschaft neben Tino Chrupalla, der als Spitzenkandidat zur Bundestagswahl wohl gesetzt ist. Vor einer Entscheidung über die zweite Person haben aktuell alle Angst, deshalb wird versucht, sie noch einmal aufzuschieben.
Frühere AfD-Parteitage waren gekennzeichnet von heftigem Streit und persönlichen Angriffen. Wird es diesmal friedlicher? Es geht schließlich um die Wahl zum Deutschen Bundestag.
Das sollte man meinen. Aber die Stimmung ist aktuell aufgeheizt. Wir werden wahrscheinlich gleich zu Beginn wieder eine Antragsdebatte sehen, die sicherlich rüpelig wird. Die AfD versteht sich ja nicht als staatstragend oder politikfähig. Es geht um Machtkonflikte und Ämterverteilung und erst in zweiter Linie um Ideologie.
Zur Person
Michael Lühmann (41) ist Politikwissenschaftler und Historiker. Er forscht am Institut für Demokratieforschung der Uni Göttingen zu Parteien und politischer Kultur.
Es gibt einen Abwahlantrag gegen Jörg Meuthen. Ist die Partei schon so radikalisiert, dass sie einen Vorsitzenden mit bildungsbürgerlicher Attitüde nicht mehr nötig hat?
Die Frage ist, ob man sich so wie der Flügel-Mann Björn Höcke zu dem bekennt, was man ist: rechtsradikal. Dann braucht man einen Meuthen nicht mehr. Aber es gibt auch die, die die Idee eines bürgerlichen Meuthen brauchen, um den eigenen Rechtsradikalismus zu verbrämen. Das kennt man von der NPD: Man stellt einen scheinbar Bürgerlichen nach vorne, um die Radikalen zu schützen.
Teile der Partei suchen ihre Wählerschaft auch unter „Querdenkern“, bei denen schon militante Rechtsextreme mitmachen. Zugleich werden permanent die Medien angegriffen und andere Parteien geschmäht. Zudem wird der Klimawandel geleugnet. Könnte man sagen, dass die AfD eine kleine Trump-Partei ist?
Auf jeden Fall gibt es in der AfD eine Form von Realitätsverleugnung, um die eigene Ideologie zu fundieren. Am Ende geht es darum, die Demokratie waidwund zu schießen – das war das Ziel von Trump und das ist das der AfD. Dafür nimmt man alle mit, die man kriegen kann.
Interview: Anja Maier