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Putins taktische Nuklearwaffen: Nicht nur für die Ukraine eine Bedrohung

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Von: Nadja Austel

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Russlands Präsident Wladimir Putin bei der Militärparade zum Tag des Sieges auf dem Roten Platz am 9. Mai 2021. (Archiv)
Wladimir Putin will einen Sieg für Russland. Mit allen Mitteln? (Archivfoto) © Alexei Nikolsky/Imago Images

Wladimir Putin droht im Ukraine-Krieg mit allem, was er hat. Russland ist im Besitz taktischer Atomwaffen. Warum ihr Einsatz eine globale Bedrohung darstellt.

Frankfurt – Der Ukraine-Krieg* und die Drohungen von Wladimir Putin*, Russland* könne Atomwaffen zum Einsatz bringen, lassen eine längst in Vergessenheit geratene Angst wieder aufleben. Nämlich die vor einem Dritten Weltkrieg mit nuklearen Schlägen. Das globale Risiko eines Atomkriegs gibt es seit mehr als 75 Jahren. Doch die alten Mechanismen zur Eindämmung dieser Gefahr sind zerstört*.

Putin spricht offen seine Befürchtung aus, dass der Westen eine massive technische Überlegenheit bei den Raketenabwehrsystemen erlangt, die sein Atomwaffenarsenal neutralisieren könnte. Das nukleare Gleichgewicht gerät ins Wanken und Deutschland diskutiert über Ab- und Aufrüstung*.

Wladimir Putin: Einsatz taktischer Atomwaffen in Ukraine wahrscheinlich?

Taktische Atomwaffen sind seit dem Ende des Kalten Krieges 1991 nicht mehr Teil der strategischen Überlegungen gewesen. Sie wurden entwickelt, um militärischen Befehlshabern mehr Flexibilität auf dem Schlachtfeld zu bieten. Mitte der 1950er Jahre, als leistungsfähigere thermonukleare Bomben gebaut und getestet wurden, dachten die Planer, dass kleinere Waffen mit einer kürzeren Reichweite in „taktischen“ militärischen Situationen nützlicher wären.

Die meisten Berechnungen darüber, wie die USA* und Russland auf den Einsatz von Atomwaffen reagieren würden, haben ihren Ursprung im Kalten Krieg und dem heiklen „Gleichgewicht des Schreckens“, das die Welt in Sicherheit, aber auch in Angst hielt. Der Einsatz von Atomwaffen ist ein Tabu, das seit der Bombardierung von Nagasaki in den letzten Tagen des Zweiten Weltkriegs nicht mehr gebrochen wurde.

Während des darauf folgenden Kalten Krieges machte die militärische Kriegsplanung mit dem Ziel der gegenseitigen Abschreckung den möglichen Einsatz einer einzigen Nuklearwaffe unweigerlich zum Auslöser eines globalen Atomkonflikts, der die Vernichtung aller Beteiligten zur Folge hätte. Dass Putin dieses empfindliche Gleichgewicht nun infrage zu stellen droht, ist daher nur schwer zu glauben. Dennoch bleiben leise Zweifel. Die bisherigen Entscheidungen in diesem Krieg des russischen Machthabers waren ebenfalls als höchst unwahrscheinlich eingestuft worden.

Ukraine-Krieg: Putin stößt auf Widerstand und dreht durch

Der im Exil lebende russische Oligarch Mikail Chodorkowski machte gegenüber dem US-Nachrichtensender CNN den Versuch, zu erklären, was in Putin vorgeht*. Im Gespräch mit Moderator Fareed Zakaria erklärte Chodorkowski Putins Absichten. „Für ihn ist die Situation heute sehr kompliziert“, sagte Chodorkowski über Wladimir Putin. „Zunächst wollte er die Macht in Kiew auswechseln, seine Marionetten einsetzen und erwartete, dass das ukrainische Volk Blumen auf die Straße werfen würde. Als das nicht geschah, drehte er durch. Die Tatsache, dass die Menschen in Charkiw ihn nicht mit Blumen begrüßten, hat ihn nicht nur wütend gemacht, ich glaube, es hat ihn stattdessen buchstäblich in den Wahnsinn getrieben.“ 

Wladimir Putin soll daraufhin begonnen haben, Charkiw und Kiew* zu bombardieren. „Im Moment hat er drei Möglichkeiten, drei Auswege. Der erste Ausweg ist, die Ukraine weiter unter Druck zu setzen und dabei wahrscheinlich Truppen zu verlieren, weil die Ukrainer sich mit jedem Tag stärker wehren. Zweitens könnte er Massenvernichtungswaffen einsetzen, in der Hoffnung, dass dies die Ukrainer zum Rückzug zwingen würde. Und die dritte Möglichkeit ist die Aufnahme echter Verhandlungen,“ so der Oligarch.

Moderne nukleare Sprengköpfe haben einen variablen „Einstellung“, berichtet Aljazeera über die russischen Atomwaffen. Der Bediener könne damit die Sprengkraft festlegen. Eine taktische Waffe hätte eine Stärke von einem Bruchteil einer Kilotonne bis zu 50 Kilotonnen. Zum Vergleich: Die Waffe, die Hiroshima zerstörte, habe eine Stärke von etwa 15 Kilotonnen gehabt. Eine einzelne Kilotonne entspreche der Kraft von tausend Tonnen TNT, einem hochexplosiven nicht-atomaren Sprengstoff.

Ukraine-Krieg: Wladimir Putin braucht einen Sieg – doch um jeden Preis?

Bei einem Schlagabtausch mit Waffen dieser Sprengkraft würde der Großteil Mitteleuropas sofort unbewohnbar geworden, berichtet Aljazeera weiter. Warum sollte jemand also ein solches Risiko eingehen, wo doch so viel auf dem Spiel steht? Wenn Putin aus diesem Krieg nicht mit etwas hervorgeht, das wie ein Sieg aussieht, dann steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Russland zur Festigung seines Status als Weltmacht Atomwaffen einsetzt, so Aljazeera.

US-Präsident Joe Biden* hat kürzlich ein Memorandum unterzeichnet, das den USA den Einsatz von Atomwaffen als Vergeltung für einen chemischen oder nuklearen Angriff erlaubt. Und Russland hat seine nukleare Alarmbereitschaft erhöht. Letzteres sei ein besorgniserregender, aber in Kriegszeiten nicht ungewöhnlicher Vorgang, so Aljazeera. Die Szenarien, die Präsident Putin als siegreich oder erfolgreich für Russland bezeichnen könnte, würden immer seltener, und Putins politisches Überleben hängt nun zunehmend vom Ausgang des Konflikts ab.

Das Nachrichtenportal Aljazeera kommt zu der Einschätzung: Eine geschwächte Führung, deren Streitkräfte versagen und deren Ansehen auf dem Nullpunkt ist, könnte durchaus versucht sein, die Welt daran zu erinnern, dass sie zwar diesen Konflikt nicht gewonnen hat, aber noch lange nicht am Ende ist. (na) *fr.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA.

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