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Frankreich will finanzielle Mittel für Atomkraftwerke - Und Deutschland schaltet in zwei Wochen ab

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Die EU-Energieminister lehnten die Forderung Frankreichs ab, Wasserstoff aus Atomenergie auf die Erneuerbaren-Ziele anzurechnen. Dafür gibt es ein Entgegenkommen bei neuen Reaktor-Standards.

Diese Analyse liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Europe.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Europe.Table am 29. März 2023.

Brüssel – Eine kontroverse Paketlösung hatten gestern die Energieminister der EU zu verhandeln. Nachdem Deutschland die anderen Staaten bei E-Fuels vor sich hergetrieben hatte, spitzte sich am Dienstag die Auseinandersetzung um Frankreichs Wunsch zu, Atomenergie auf die Erneuerbaren-Ziele der EU anzurechnen.

Unmittelbar vor dem Rat tagten die beiden Lager deshalb in zwei unterschiedlichen Runden. Frankreichs Energieministerin Agnès Pannier-Runacher hatte ein erneutes Treffen ihrer Atom-Koalition von Februar einberufen. Rund um ihre österreichischen Amtskollegin Leonore Gewessler versammelten sich derweil ihre Gegenspieler. Vertreter von zehn weiteren Staaten – darunter Deutschlands – kamen zusammen unter dem Motto „Erneuerbar heißt Erneuerbar“, um eine gemeinsame Gegenposition für die Verhandlungen abzustimmen.

Frankreich will finanzielle Mittel für Atomkraftwerke

Frankreich und seinen Verbündeten geht es neben einer industriellen Kooperation in erster Linie um die „Mobilisierung finanzieller Mittel“, wie es in einem gemeinsamen Ergebnispapier der atomfreundlichen 13er-Runde hieß. Vor allem Frankreichs Staatskonzern EDF ist dringend auf frische Milliarden angewiesen.

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Wichtigstes Ziel von Pannier-Runacher war gestern jedoch eine Vorentscheidung für den heutigen Trilog, mit dem die Novelle der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED) besiegelt werden soll. Deshalb wurde eigens die allgemeine Ausrichtung zum Gasmarkt-Paket vom Morgen auf den Nachmittag verschoben. In früheren Entwürfen hatte man versucht, über die Gasmarkt-Richtlinie in die RED hineinzuregulieren – und damit eine Grundlage zu schaffen, Atomenergie nachträglich auf die Erneuerbaren-Ziele im Verkehr und in der Industrie anrechnen zu können.

Rat streicht Atom-Paragrafen aus Gasrichtlinie

Schließlich strich der Rat den Atom-Paragrafen gestern aus der allgemeinen Ausrichtung zur Gasmarkt-Richtlinie. Mit Atomkraft gewonnener „Low-carbon Wasserstoff wird nicht als erneuerbar anerkannt und die unseriöse Brücke zur RED ist Geschichte“, kommentierte dies Berichterstatter Jens Geier (SPD) auf seinem LinkedIn-Profil.

Eine Lösung für den Atomstreit auszuarbeiten, oblag dann am Mittwoch dem Treffen der Ständigen Vertreter und danach dem Trilog, wo auch das Parlament der Position zustimmen muss. Skepsis hatte vor einigen Wochen Berichterstatter Markus Pieper (CDU) geäußert. Quoten für kohlenstoffarmen Wasserstoff aus Atomenergie sollten Pieper zufolge höchstens on top auf die Ziele für grünen Wasserstoff kommen.

Kommission kündigt EU-Standards für neue Atomreaktoren an

Ein Entgegenkommen auf einer anderen Ebene signalisierte Energiekommissarin Kadri Simson. Die Kommission habe verstanden, dass die Mitgliedstaaten Leitlinien für den Einsatz von kleinen modularen Reaktoren (SMR) und EU-weite Standards dafür bräuchten, sagte sie in der abendlichen Pressekonferenz. Die Kommission werde daher mit der Atomindustrie zusammenarbeiten und „in diesem Bereich liefern“.

Die allgemeine Ausrichtung zum Gasmarktpaket wurde am Dienstag gemischt aufgenommen. Während es der DIHK richtig nannte, dass die Gasnetzbetreiber zunächst auch Wasserstoffnetze bauen und betreiben können, äußerten sich die Betreiber ablehnend gegenüber der Ratsposition. Der Rat habe sich für eine eigentumsrechtliche Trennung des Wasserstoff- und Gasnetzes auf Ebene der Verteilnetze ausgesprochen, teilte der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) mit. Dies würde es vielen Stadtwerken nahezu unmöglich machen, eine investitionssichere Transformation der Infrastruktur einzuleiten, sagte Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.

EU-Energieminister: 15 Prozent Gassparen bis März 2024

Die EU-Energieminister einigten sich außerdem darauf, das freiwillige Gassparziel der EU bis März 2024 zu verlängern. Im August 2022 eingeführt, wäre es sonst nach der bisherigen Notverordnung am Freitag ausgelaufen. Verpflichtende Verschärfungen zur Berichterstattung – wie sektorengenaue Angaben zum Gasverbrauch – blockten die Mitgliedstaaten gestern jedoch ab.
Im Vergleich zu einem fünfjährigen Referenzzeitraum sollen die EU-Länder weiterhin 15 Prozent Gas einsparen. „Gut und wichtig“ nannte das die Parlamentarische Staatssekretärin Franziska Brantner, die für das Bundeswirtschaftsministerium an dem Treffen teilnahm.

Bis Januar hatten die Staaten das Ziel noch übererfüllt. Doch im Vergleich zum vergangenen Herbst sind die Gaspreise stark gesunken, sodass der finanzielle Sparanreiz schwächer geworden ist. Fraglich ist zudem, ob das nächste Winterhalbjahr wieder so milde wird wie das vergangene. Erst kürzlich hatte die Kommission aufgezeigt, dass sogar noch die Gasversorgung im Winter 2024/25 gefährdet sein könnte, falls Russland seine Lieferungen einstellt und in den kommenden warmen Monaten gar kein Gas mehr eingespart wird.

Von Manuel Berkel

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