Asyl für Betroffene gefordert
Fälle von Genitalverstümmelungen bei Frauen nehmen laut Terre des Femmes zu. Auch in Deutschland leben Zehntausende betroffene Mädchen und Frauen.
Es ist ein grausamer Brauch und obwohl er in Deutschland verboten ist, leben hierzulande Zehntausende Mädchen und Frauen, die ihn durchlitten haben: Zum Internationalen Tag gegen die weibliche Genitalverstümmelung an diesem Montag machen Frauenrechtsorganisationen auf die Zunahme der Fälle in Deutschland aufmerksam und fordern, den davon Betroffenen oder Bedrohten ausnahmslos Asyl zu gewähren.
Nach einer Dunkelzifferschätzung von Terre des Femmes befinden sich in Deutschland rund 104 000 Mädchen und Frauen, deren Genitalien beschnitten wurden, rund 17 000 Mädchen sind demnach davon bedroht. Weltweit sind der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zufolge etwa 200 Millionen Frauen betroffen.
Bei der „Female Genital Mutilation/Cutting“ (FGM/C) werden die äußeren Genitalien aus nichtmedizinischen Gründen ganz oder zum Teil entfernt, oft unter unhygienischen Bedingungen und mit ungeeigneten Werkzeugen wie Scherben oder Scheren. Die Folgen können permanente Schmerzen, Gewebewucherungen, Einschränkungen beim Wasserlassen und Geschlechtsverkehr sowie Komplikationen bei Geburten sein.
Die Frauenrechtsorganisation Solwodi weist darauf hin, dass das deutsche Asylrecht FGM/C zwar als Fluchtgrund anerkennt, Frauen und Mädchen aber trotzdem oft abgeschoben würden, wenn in ihren Herkunftsländern ein gesetzliches Verbot der Beschneidung gelte.
Viele Fälle in Deutschland
„Doch gerade in sehr traditionellen Gesellschaften, aus denen viele der von uns betreuten Frauen stammen, wird der Eingriff dennoch an den Mädchen vorgenommen“, sagt eine Solwodi-Sprecherin. Deswegen müsse die weibliche Genitalverstümmelung uneingeschränkt als Asylgrund anerkannt werden. Der Schutz dürfe den Frauen nicht mit vorgeschobenen Gründen wie „innerstaatliche Fluchtalternativen“ oder der Gesetzeslage verweigert werden.
Beiden Organisationen zufolge wird weibliche Genitalverstümmelung in etwa 30 Ländern Afrikas vorgenommen, auf der Arabischen Halbinsel, in einigen Ländern Asiens und Südamerikas. Laut Terre des Femmes ist eine Gefährdung durch den Zwangseingriff nicht von einem Geburts- oder Wohnort abhängig, sondern von der Zugehörigkeit zu einer Gruppe und einem kulturellen Erbe. So könne es sein, dass innerhalb eines Staates in einigen Regionen diese Menschenrechtsverletzung begangen werde und in anderen nicht. Mit der steigenden Zuwanderung nach Deutschland wächst die Zahl der Frauen und Mädchen, die hierzulande davon betroffen sind. Damit konfrontiert werden unter anderem Mediziner:innen: So hat die deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe im Sommer 2022 erstmals Leitlinien zu rekonstruktiven und ästhetischen Operationen der weiblichen Genitale herausgegeben. Darin ist der Genitalverstümmelung ein eigenes Kapitel gewidmet.