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Anpassung an die Klimakrise in Frankreich: Palmen statt Platanen

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Von: Stefan Brändle

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Die Stadt Marseille hat Wassersprüher aufgestellt, damit die Menschen die Hitze besser aushalten.
Die Stadt Marseille hat Wassersprüher aufgestellt, damit die Menschen die Hitze besser aushalten. © IMAGO/ZUMA Wire

Frankreichs Regierung rechnet mit einer Erhitzung um vier Grad. Die Regierung diskutiert mit Bürgern und Verbänden darüber, wie sich das Land anpassen soll.

Ausgetrocknete Stauseen, unerträgliche Hitze im Sommer: In Frankreich sind die Folgen der Klimakrise bereits deutlich spürbar. Der französische Umweltminister Christophe Béchu lanciert deshalb am Dienstag eine nationale Debatte über die Folgen der Klimaerwärmung. Bürger:innen, Verbände und Institutionen sind aufgerufen, langfristige Vorkehrungen zu beraten. Im Herbst sollen die Schritte und Strategien in einen „nationalen Plan zur Anpassung an die Klimaerwärmung“ münden. Hier die wichtigsten Fragen dazu.

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Von welchen Annahmen geht die Regierung aus?

Béchu erklärte, es gehe darum, „mit dem Leugnen aufzuhören“. Die bisherige Annahme von zwei Grad Erwärmung bis zum Ende des Jahrhunderts sei nur realistisch, wenn die Vorgaben im Pariser Abkommen von 2015 eingehalten würden. Und das werde höchstwahrscheinlich nicht der Fall sein. Zu rechnen sei mit einer globalen Erderwärmung um drei Grad. Das bedeute zwei Grad über den Ozeanen und vier Grad in Ländern wie Frankreich. In Paris sind sich Wissenschaftler:innen einig mit Umweltminister Béchu. „Vier Grad zusätzlich ist kein pessimistisches Szenario“, so der Klimatologe Vivian Dépoues. Sein Berufskollege Christophe Cassou hält bis 2100 eine Erwärmung von 5,6 Grad für möglich, wenn ein Beschleunigungseffekt einsetze.

Was wären die direkten Folgen?

Ein Anstieg der Temperaturen um vier Grad hätte gewaltige Konsequenzen, erklärte Béchu. Hitzewellen könnten im Sommer zwei Monate und mehr dauern; verschont würden in Frankreich nur wenige Regionen wie der Ärmelkanal, die Alpen oder die Pyrenäen. In den hauptbetroffenen Regionen – Mittelmeer, Rhonetal, Garonne-Tal – rechnet der Wetterdienst Météo France mit bis zu 90 „tropischen Nächten“, in denen die Temperaturen nicht unter 20 Grad sinken. Gesundheitliche Schäden gingen damit einher. Da es fast nirgends mehr schneien dürfte, würde der gesamte Wasserzyklus gestört. Trockenheiten ohne jeglichen Regen könnten neun Monate von Frühling bis Herbst dauern. Die Waldbrandgefahr stiege in gefährdeten Regionen von 40 auf 97 Prozent. Dazwischen wäre mit sintflutartigen Niederschlägen zu rechnen. 50 000 Wohnungen und Häuser am Atlantik und vor allem am Ärmelkanal müssten wegen der Küstenerosion evakuiert werden; bei einer Erwärmung von zwei Grad wären „nur“ 15 000 Gebäude betroffen.

Wie will sich Frankreich auf den Klimaschock vorbereiten?

Das französische Umweltministerium rechnet auch damit, massiv Geld für die Infrastruktur auszugeben: Bewässerungssysteme für Landwirtschaft, Entschädigungen für stillgelegte Skiorte; Ausbau der Kanalisationen gegen plötzliche Überschwemmungen – oder auch Hilfe für Besitzer:innen von Häusern, die zunehmend Risse kriegen. Die Eisenbahngesellschaft SNCF muss das Schienensystem auf Tausenden von Kilometern anpassen, um Hitzeexplosionen zu vermeiden. Schulen sollen den Asphalt ihrer Pausenplätze entfernen. Städte müssen Schattenzonen schaffen und Bäume pflanzen. Auf den Champs-Elysées könnten die Platanen durch Palmen ersetzt werden, die wie Lokalzeitung „Le Parisien“ am Montag berichtete.

Wie hoch werden die Kosten sein?

Das französische Umweltministerium schätzt die öffentlichen Mehrausgaben für die Vorbereitung auf das Vier-Grad-Szenario auf 45 Milliarden Euro – und zwar nicht als einmalige Ausgabe, sondern jedes Jahr. Das wäre mehr als das Verteidigungsbudget Frankreichs (40 Milliarden Euro). Mehrausgaben für Landwirte, Telekomprovider oder die Staatsbahn sind darin nicht enthalten.

Wer soll dafür bezahlen?

Die politische Debatte um die Finanzierung der Schutz- und Vorbeugungsschritte hat bereits begonnen. Der Ökonom Lucas Chancel, Mitarbeiter des „Weltlabors für Ungleichheit“, rechnet vor, dass das wohlhabendste Prozent der Weltbevölkerung mehr CO2 als die gesamte ärmere Hälfte verursache. Das müsse in einer „klimatischen“ Steuerreform seinen Niederschlag finden, fordert Chancel. Die grüne Partei verlangt zudem ein Verbot von Privatjets in Frankreich.

Wie will die französische Regierung vorbeugen?

Premierministerin Elisabeth Borne hat am Montag Schritte vorgestellt, um die CO2-Emissionen in Frankreich bis 2030 im Einklang mit den EU-Zielen um 45 Prozent zu senken. Die Regierungschefin von Präsident Emmanuel Macron subventioniert das Umsteigen von Öl- und Gasheizungen und fördert Elektrofahrzeuge sowie Autobahnspuren für Fahrgemeinschaften.

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