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Anne Hidalgo hofft auf den Olaf-Scholz-Effekt

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Von: Stefan Brändle

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Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo
Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo © AFP

Die Pariser Bürgermeisterin geht für Frankreichs Sozialisten in die Präsidentschaftswahl, liegt aber in Umfragen zurück

Die Pariser Bürgermeisterin Anne Hidalgo geht für die französischen Sozialisten in die Präsidentschaftswahl. Um gegen Staatschef Emmanuel Macron eine Chance zu haben, muss sie aber zuerst noch die ganze Linke hinter sich scharen. Hidalgo setzte sich am Donnerstagabend in einer parteiinternen Wahl gegen den früheren Agrarminister Sébastien Le Foll durch. Sie erhielt rund 70 Prozent der Stimmen.

Mit einer roten Rose in der Hand erklärte sie sich willens, eine „Regierung der gesamten Linken“ anzuführen. Le Foll hatte den Urnengang schon im Vorfeld als abgekartete Sache bezeichnet: Hidalgo habe zusammen mit Parteichef Olivier Faure jede inhaltliche Debatte verhindert.

Anne Hidalgo startet aus schlechter Position

Die 62-jährige Bürgermeisterin von Paris ist nach Ségolène Royal im Jahr 2007 die zweite Präsidentschaftskandidatin der Parti Socialiste (PS). Sie stammt aus Andalusien und war mit ihren Eltern – sie Näherin, er Elektriker – im Alter von drei Jahren nach Lyon gekommen. In Paris wurde sie nach der Einbürgerung und „Franzisierung“ ihres spanischen Vornamens Ana María zuerst Arbeitsinspektorin, bevor sie in die Politik einstieg. Von ihrem Mentor, dem langjährigen Pariser Bürgermeister Bertrand Delanoë, übernahm sie die Anti-Auto-Politik. Als Oberbürgermeisterin hob sie ab 2014 die Schnellstraßen entlang der Seine definitiv auf und verbannte Dieselmotoren aus der Stadt; kürzlich führte sie auf dem Stadtgebiet Tempo 30 ein. Entlang der breiten Boulevards schuf sie während der Corona-Krise „provisorische“ Radspuren, die langsam, aber sicher definitiv werden.

Die Pariser Rechte wirft der Sozialistin mit der weichen Stimme und dem eisernen Willen vor, sie denke nicht an die Pendlerinnen und Pendler, die nun in den Staus vor den Toren von Paris stecken blieben, sondern nur an ihre Anhängerschaft. Für die „Bobos“ (bourgeois-bohème) baue sie Sozialwohnungen und Radwege; die Kriminalität, Drogenmisere oder die Rattenplage in Paris kriege sie aber nicht in den Griff. Bei den Gemeindewahlen 2020 wurde die Sozialistin aber mit grüner Unterstützung bequem wiedergewählt.

In den Umfragen für die Präsidentschaftswahl startet Hidalgo aus einer schlechten Position: Sie kommt derzeit auf nur etwa vier bis sieben Prozent der Stimmen – knapp weniger als der grüne Kandidat Yannick Jadot, viel weniger als Linkenchef Jean-Luc Mélenchon von den „Unbeugsamen“. Doch das ist nur die Ausgangslage für den Urnengang von nächstem April. Die Umfragezahlen werden erst aussagekräftig, wenn Hidalgo Ende des Monats von einem Parteikongress nominiert sein wird.

Anne Hidalgo traf Olaf Scholz in Köln

Die Parti Socialiste ist zwar nur noch ein Schatten der glorreichen Zeiten unter François Mitterrand, dem Präsidenten von 1981 bis 1995; aber sie verfügt landesweit noch über eine lokale Verwurzelung, was für eine Präsidentschaftskampagne wichtig ist. Hidalgo stellte sich in ihrer Rede in die Tradition der großen Sozialisten, von Jean Jaurès und eben Mitterrand. „Es ist die Linke des sozialen Fortschritts, der großen Errungenschaften und der sozialen Gerechtigkeit“, sagte sie.

Sie setzt zudem auf den „Scholz-Effekt“, das heißt auf einen Aufschwung, wie ihn der SPD-Kandidat im Bundestagswahlkampf erlebt hatte. Die Pariser Bürgermeisterin hatte Olaf Scholz schon im September in Köln getroffen und dabei erklärt, anfangs habe man sich auch über die deutschen Sozialdemokraten lustig gemacht – jetzt hätten sie das Kanzleramt in Griffweite.

Der Elysée-Palast ist für Hidalgo noch weiter weg. Aber falls sie Jadot in den Umfragen überholt, könnte er gezwungen sein aufzugeben, denn der grüne „Realo“ macht sich seit jeher und mit Nachdruck für eine linke Einheitskandidatur stark. Mélenchon und die zwei Kandidaten der Kommunisten und Linkssouveränisten wollen sich aber auf keinen Fall zugunsten Hidalgos zurückziehen.

Wahlkampf ist dominiert von Themen der Rechten unter Marine Le Pen

Während die Linke mit sich selbst beschäftigt ist, dreht sich der Wahlkampf fast nur um von rechter Stimmung überlagerte Themen wie Migration oder nationale Identität – und Eric Zemmour oder Marine Le Pen. Wenn die Energiepreise aber weiter steigen, kann sich Hidalgo mit sozialen Themen besser in Szene setzen. Die in Frankreich sehr tiefen Gehälter für Lehrerinnen und Lehrer will sie verdoppeln, die Arbeitszeit ausgehend von der 35-Stunden-Woche weiter verkürzen.

Ob sie den Favoriten Emmanuel Macron unter Druck setzen kann, muss sich weisen. Der zur Wiederwahl antretende Präsident führt das Feld derzeit mit einem Stimmenanteil von rund 25 Prozent an. Die Frage scheint derzeit nur, wer es gegen ihn in den zweiten Wahlgang schafft. mit afp

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