Demonstrationen in Burkina Faso: Untätige Regierung

Im Sahel-Staat Burkina Faso demonstrieren zahlreiche Menschen gegen die Regierung von Präsident Kaboré und werfen ihr Untätigkeit vor.
Ouagadougou - Zumindest mit Demonstrierenden, die gegen die außer Kontrolle geratene Sicherheitslage des westafrikanischen Staates Burkina Faso protestieren, scheinen die dortigen Sicherheitskräfte noch fertig zu werden. Am Samstag löste die Bereitschaftspolizei in der Hauptstadt Ouagadougou eine Kundgebung mehrerer hundert Oppositioneller unter Einsatz von Schlagstöcken und Tränengas auf. Dutzende Menschen – darunter zwei Reporter und ein Kind – wurden teils schwer verletzt.
Anlass der Demonstration war ein Überfall islamistischer Extremisten im unruhigen Norden des Landes, wo vor zwei Wochen nahe des Städtchens Inata 53 Gendarmen und vier Zivilpersonen getötet wurden – in einem der blutigsten Vorfälle seit Beginn der Umtriebe der Extremisten vor sechs Jahren. Mit Sprechchören wie „Genug ist Genug“ und „Roch, tritt zurück“ forderten die Teilnehmer:innen der Kundgebung den Rücktritt des Präsidenten Roch Marc Kaboré. „Wir haben genug Versprechungen gehört, wir wollen Taten sehen“, sagte Marcel Tankoano, der Vorsitzende der Bewegung „Rettet Burkina Faso“, die die Demonstration mitorganisiert hatte.
Demonstrationen in Burkina Faso: Proteste in mehreren Städten
Auch in anderen Städten des Landes kam es zu Protesten, die Schulen des Landes blieben zwei Tage lang geschlossen, der von der Regierung vor zwei Wochen verhängte Internet-Blackout wurde verlängert. Die Opposition bezeichnete diese Entscheidung als „liberticide“ (Freiheitsmord): Bereits jetzt schätzen Fachleute den daraus resultierenden wirtschaftlichen Schaden auf mindestens 30 Millionen Euro.
Zwei Tage nach dem Überfall war bekannt geworden, dass die Sicherheitskräfte in ihrem Einsatzgebiet mit akuten Versorgungsengpässen leben müssen. Seit mehreren Wochen seien keine Lebensmittel mehr in das Lager der Gendarmerie in Inata geliefert worden, hieß es in einem Schreiben an die Militärführung des Landes. Die Paramilitärs hätten sich selbst versorgen müssen, indem sie in der Umgebung grasende Kühe schlachteten.
Demonstrationen in Burkina Faso: Präsident Kaboré entschuldigt sich
In einer TV-Ansprache entschuldigte sich Präsident Kaboré am Wochenende für die „Funktionsunfähigkeit“ der Armee und kündigte eine Umbesetzung des Kabinetts an. Er werde „mehr als bisher“ dafür sorgen, dass die Versorgung, die Bezahlung und die operationellen Fähigkeiten der Streitkräfte gesichert würden, versprach der seit sechs Jahren regierende Staatschef.
Den Umtrieben der Extremisten fielen bereits mehr als 2000 Menschen zum Opfer, 1,5 Millionen der 21 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner des Landes wurden aus ihrer Heimat vertrieben. Vor allem im Norden und Nordosten sind rund 4000 Schulen permanent geschlossen, auch können dort Farmer ihre Felder nicht mehr bewirtschaften. Seit kurzem werden auch aus dem Süden des Landes an der Grenze zur Elfenbeinküste Angriffe der entweder mit dem „Islamischen Staat“ oder mit Al Kaida im Maghreb verbündeten Extremistengruppen gemeldet.
Demonstrationen in Burkina Faso: Versorgung der Extremisten mit Waffen
Neben der Regierung rückt auch die Präsenz französischer Truppen in der Region in den Mittelpunkt der Kritik der Bevölkerung Burkina Fasos. Den Fremdenlegionären wird außer Wirkungslosigkeit auch die Versorgung der Extremisten mit Waffen vorgeworfen. Demonstranten halten seit über einer Woche einen französischen Konvoi rund zwanzig Kilometer nördlich von Ouagadougou fest, der sich auf dem Weg in die malische Provinzhauptstadt Gao befand. Die Menge geht offenbar davor aus, dass sich in den Panzerwagen Waffen für Extremisten befinden. Bei der Demonstration am Samstag in Ouagadougou wurden neben dem Rücktritt des Präsidenten auch der Abzug der französischen Soldaten gefordert und eine Total-Tankstelle verwüstet.
Im Rahmen der „Operation Barhane“ unterhält Frankreich rund 5000 Soldaten in der Sahelzone, zu der auch Burkina Faso gehört. Paris möchte die Stärke seiner Truppe, deren Wirksamkeit im Kampf gegen Extremisten umstritten ist, jedoch vermindern. Viele Westafrikaner:innen befürchten, dass die militärische Präsenz der ehemaligen Kolonialmacht die Attraktivität und Umtriebe der Islamisten noch verstärkt statt sie zu vermindern.
Demonstrationen in Burkina Faso: Bürger:innen vermissen Autokraten Blaise Compaoré
Während der 27-jährigen Herrschaft des Autokraten Blaise Compaoré war es in Burkina Faso ironischerweise zu keinen extremistischen Umtrieben gekommen: Compaoré soll die Beziehungen zu den Islamisten erfolgreich „gemanagt“ haben. Nachdem er sich vor den Wahlen 2014 mit einer Verfassungsänderung eine neue Amtszeit ermöglichen wollte, kam es zu einem Volksaufstand, der Compaoré zur Flucht in die Elfenbeinküste zwang. Nun weinen manche dem Autokraten nach. Sein Nachfolger als Parteichef des Kongresses für Demokratie und Frieden (CDP), Eddie Komboïgo, fordert den Präsidenten Kaboré ebenfalls zum Rücktritt auf. (Johannes Dieterich)