Fortschrittskoalition? 30 Ampel-Vorhaben stecken fest – bei Lindner

Vor allem Finanzminister Lindner soll in der Ampel-Regierung viele Vorhaben blockieren. Zuletzt war immer wieder von Streit in der Koalition die Rede.
Berlin – Rund ein Jahr nach Antritt der neuen Bundesregierung wird deutlich: Die anfängliche Euphorie der selbsternannten Fortschrittskoalition ist allmählich verpufft. Längst nicht alle Gesetzesvorhaben, die sich die Ampel-Koalition auf die Agenda geschrieben hat, konnte sie bisher auch umsetzen. In nicht gerade wenigen Fällen liegt das auch an Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) - und das wohl auch auf seinem Ressort inhaltlich sachfremden Gebieten.
Wie die Süddeutsche Zeitung (SZ) in den Fraktionen und bei betroffenen Ministerien recherchiert hat, geht es bei insgesamt etwa 30 Projekten der Ampel-Koalition nicht voran. Bei mindestens acht davon blockiere das von FDP-Chef Lindner geführte Finanzministerium den Fortschritt. Das betreffe neben einer Baugesetzbuch-Änderung für tierfreundlichere Ställe beispielsweise das Weiterbildungsgesetz, das Klimaschutzsofortprogramm oder Details bei der Polizeizulage.
Ampel-Koalitionsausschuss abgesagt: Lösung von Streitfragen verschiebt sich
Offenbar stellt auch die Kopplung von mehreren Projekten ein Hindernis dar. So beharrt die FDP auf eine Beschleunigung der Genehmigungen für den schnelleren Bau von Autobahnen, was allerdings an den beschleunigten Aus- und Neubau von Bahnstrecken im Land geknüpft ist, auf den die Grünen bestehen. Für die Lösung einiger Streitpunkte wird in Koalitionskreisen laut SZ dem nächsten Koalitionsgipfel besondere Bedeutung beigemessen. Geplant war der nächste Koalitionsausschuss für den 1. März, dieser wurde nun anscheinend aber abgesagt. Ein neuer Termin ist noch nicht bekannt.
Bei der Pflegereform ist eine schnelle Einigung zwischen Lindner und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) gefordert - nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts muss bis 1. Juli eine Neuregelung vorliegen. Das Gesundheitsministerium will vor allem mehr Geld für die Reformpläne, das Finanzministerium meint, es könne nicht alles mit immer mehr Geld gelöst werden. Eine Pflegereform müsse über reine Leistungserweiterungen hinausgehen, vielmehr müsse die Finanzierung langfristig und tragfähig gesichert werden.
Streitpunkt Migration: Ampel-Ministerien uneinig
Und auch innerhalb der FDP-geführten Ministerien scheint es Konfliktpotenzial zu geben. Bei dem geplanten neuen Staatsangehörigkeits-Gesetz und dem Fachkräfteeinwanderungsrecht haben Lindner wie Justizminister Marco Buschmann (FDP) noch Klärungsbedarf. Das Finanzministerium will ein Einwanderungsrecht, das ausländischen Fachkräften den Zuzug erleichtert und andererseits ungeregelte Migration verhindert.
Von der Einigkeit, die die Ampel-Parteien zu Beginn ihrer Regierungszeit demonstrierten, ist seit einigen Monaten nichts mehr zu spüren. Immer wieder geraten einzelne Ministerinnen und Minister aneinander - zuletzt ging der Streit zwischen Lindner und Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck durch die Medien. Dazu sagte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Verena Hubertz der SZ: „Wir müssen wieder zu einem konstruktiven Miteinander kommen.“ Die Menschen seien genervt von Streitigkeiten, in diesen Krisenzeiten würden Konfliktlösungen erwartet. „Wir brauchen wieder den Geist der Koalitionsverhandlungen.“ (ale)