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Neuwahlen in Bulgarien: Alle gegen Ex-Premier Bojko Borissow

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Von: Adelheid Wölfl

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„Jede Person, die mich jemals attackiert hat, hat verloren“: Bojko Borissow gibt sich trotz der schlechten Aussichten kämpferisch.
„Jede Person, die mich jemals attackiert hat, hat verloren“: Bojko Borissow gibt sich trotz der schlechten Aussichten kämpferisch. © Nikolay DOYCHINOV / AFP

Bulgariens Ex-Premier Bojko Borissow hat die Wahlen im April zwar überstanden - allerdings mit großen Verlusten. Er dürfte bei den Neuwahlen nun jedoch abgestraft werden.

Sofia - Es sieht nicht gut aus für Bojko Borissow. Am kommenden Sonntag sind wieder Wahlen – die wurden nur drei Monate nach der vergangenen Abstimmung notwendig, weil die Klientelpartei GERB von Borissow und die zweitplatzierte Partei „Es gibt so ein Volk“ von Slawi Trifonow nicht in der Lage waren, eine Regierung zu bilden. Am Sonntag jedoch wird die GERB wohl noch schlechter abschneiden als im April. Den Umfragen zufolge liegt sie bei etwa 21 Prozent. Weiter zugelegt hat indes die Partei „Es gibt so ein Volk“, aber auch die Reformpartei „Demokratisches Bulgarien“.

Trifonow könnte eine neue Regierung mit diesen Reformkräften und unter Ausschluss der GERB bilden. Zur Zeit liegt „Es gibt so ein Volk“ bei etwa 17 bis 20 Prozent. Trifonow ist vor allem bei der Bevölkerung auf dem Land wegen seiner TV-Shows seit Jahrzehnten beliebt. Er lässt jedoch auch eine nationalistische Gesinnung erkennen. Trifonow ist bei den Wahlen im April zum ersten Mal angetreten; nun kandidiert er aber nicht mehr für das bulgarische Parlament, sondern kündigte an, sich einen Posten in einer anderen Institution vorstellen zu können. Deshalb wird gemutmaßt, dass er sich entweder auf das Amt des Premierministers oder das des Staatspräsidenten vorbereitet.

Vor der Wahl in Bulgarien: Protest gegen Korruption

Die Opposition ist allerdings sehr zersplittert und hat inhaltlich wenig Gemeinsamkeiten, außer den Willen Borissow abzusetzen. Eine Regierungsbildung scheiterte bisher daran, dass die Reformparteien nicht mit den pro-russischen zusammenarbeiten wollen. So oder so verliert Borissow an Macht, obwohl die Wahlergebnisse jenen vom April ähneln dürften: Die GERB hat weiter an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Seit Mitte Mai regiert ein Übergangskabinett unter dem Verteidigungsexperten Stefan Janew, das auch versuchte, Korruption und intransparente Machenschaften der Borissow-Regierung aufzudecken.

Die nationalkonservative GERB sieht sich mittlerweile sogar mit Erpressungsvorwürfen konfrontiert. Der Landwirt Swetoslaw Ilchowski sagte etwa vor einer parlamentarischen Untersuchungskommission aus, dass ihn Vertreter der GERB aufgefordert hätten, kein Land mehr zu kaufen, seine Produkte zu geringeren Preisen anzubieten und zusätzliches Geld für Wasserversorgung auszugeben. Die Ministerin für regionale Entwicklung, Petja Awramova, habe ihm gedroht, ihn andernfalls gerichtlich verfolgen zu lassen und sein Geschäft zu beschädigen. Die GERB weist die Anschuldigungen zurück. Und Borissow meinte: „Jede Person, die mich jemals attackiert hat, hat verloren.“

Bulgarien: Skandal um Abhöraktionen überschattet Wahl

Für einen veritablen Skandal sorgten zudem Abhöraktionen, die ans Licht kamen. Der Innenminister der Übergangsregierung, Bojko Raskow, bestätigte, dass Mitglieder der drei Oppositionsparteien vor den Wahlen im April vom Geheimdienst abgehört wurden. In Folge dessen wurden im Innenministerium während der Übergangsregierung einige wichtige Posten neu besetzt und Borissows Vertraute entfernt.

Seit Jahren ist der Umgang mit rechtsstaatlichen Prinzipien in Bulgarien einer der Hauptgründe, weshalb viele Menschen das Land verlassen. Im Sommer des vergangenen Jahres formierte sich eine landesweite Protestbewegung gegen Amtsmissbrauch und die Korruption: Die Regierung Borissow hatte nichts unternommen, um die Rechtsstaatlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz in Bulgarien zu stärken. (Adelheid Wölfl)

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