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In Russland steigt die Angst vor der Ukraine – Moskau stationiert Soldaten an Atomkraftwerk

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Von: Bettina Menzel

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Ein russischer Soldat Ende März 2023 im von Russland besetzten Atomkraftwerk Saporischschja nahe der ukrainischen Stadt Enerhodar (Archivbild). © IMAGO/Erik Romanenko / ITAR-TASS

Satellitenbilder zeigen laut britischem Geheimdienst, dass sich Russland auf Kampfhandlungen am AKW Saporischschja vorbereitet, die internationale Atomenergiebehörde ist „zutiefst besorgt“.

Saporischschja - Das Atomkraftwerk Saporischschja rückte im Ukraine-Krieg immer wieder in den Fokus. Die umkämpfte Energieanlage ist seit März vergangenen Jahres von Moskaus Truppen besetzt, die auch immer wieder Raketenangriffe von dort starten. Kurz nach Beginn der Invasion im vergangenen Jahr brannte das größte Akw Europas nach russischem Beschuss. Nach Einschätzung des britischen Geheimdienstes bereiten sich die russischen Besatzungstruppen nun erneut auf Kämpfe rund um das Atomkraftwerk vor.

Geheimdienstbericht: Satellitenbilder zeigen neue Verteidigungsstellungen auf Dächern des Akw

Die lange erwartete Großoffensive der Ukraine könnte schon bald beginnen. Die Vorbereitungen sind laut einer Mitteilung des ukrainischen Verteidigungsministers Olexij Resnikow vom Freitag (28. April) jedenfalls nahezu abgeschlossen. Das Gebiet Saporischschja, in dem sich Europas größtes Atomkraftwerk befindet, gilt als Tor zur Halbinsel Krim und damit als mögliche Stoßrichtung. Auf Satellitenbilder ist laut der Nachrichtenagentur Reuters zu erkennen, dass die russischen Verteidigungslinien in der Region Saporischschja am stärksten befestigt sind.

Der britische Geheimdienst geht davon aus, dass sich Russland auch auf Kämpfe rund um das Akw Saporischschja einstellt. Das geht aus dem täglichen Update des britischen Verteidigungsministeriums vom Donnerstag (27. April) hervor, in dem sich die Experten auf aktuelle Satellitenbilder der Anlage beziehen. Demnach zeigen die Aufnahmen Verteidigungsstellungen mit Sandsäcken auf den Dächern mehrerer der sechs Reaktoren. Auch beispielsweise in Schützengräben werden Sandsäcke geschichtet, sodass Soldaten aus der Deckung heraus zielen können. Entsprechend ist davon auszugehen, dass Russland plant, Soldaten auf den Reaktorgebäuden zu stationieren.

Seit Beginn der Okkupation des Akws im März 2022 sei es das erste Mal, dass die Reaktorgebäude in die taktische Verteidigungsplanung Moskaus mit einbezogen würden. „Russland hat diese Stellungen wahrscheinlich errichtet, weil es zunehmend besorgt ist über die Aussicht auf eine große ukrainische Offensive“, so die Geheimdienstexperten weiter.

Internationale Atomenergiebehörde warnt vor Nuklearunfall durch zunehmende Kampfhandlungen

Der britische Geheimdienstbericht warnte davor, dass Kämpfe das Risiko von Schäden an dem Sicherheitssystem des Atomkraftwerks erhöhen würden. Katastrophale Schäden an den Reaktoren seien aber in den meisten plausiblen Szenarien mit Infanterie-Waffen unwahrscheinlich, da die Gebäudestrukturen sehr gut bewehrt seien, hieß es weiter. Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) teilt die Einschätzung des britischen Geheimdienstes grundsätzlich, hält eine nukleare Katastrophe im Falle eines Treffers allerdings für nicht ausgeschlossen.

Bereits vor rund einer Woche warnte IAEA-Direktor Rafael Grossi vor einem Nuklearunfall durch die zunehmenden Kampfhandlungen um das Akw. „Ich habe klare Anzeichen militärischer Vorbereitungen in dem Gebiet gesehen, als ich das AKW Saporischschja vor drei Wochen besucht habe“, so der IAEA-Chef und zeigte sich „zutiefst besorgt“ aufgrund der aktuellen Lage. Moskau und Kiew werfen sich seit Monaten gegenseitig den Beschuss des Atomkraftwerkes vor. Die Atomenergiebehörde hatte seit Kriegsbeginn immer wieder versucht, mit Russland und der Ukraine eine Sicherheitszone rund um die Nuklearanlage auszuhandeln. Grossi bekräftigte, dass diesbezüglich weiter verhandelt werde. Die Nuklearanlage befindet sich derzeit im sogenannten Kaltbetrieb, die Reaktoren sind aus Sicherheitsgründen heruntergefahren.

Die Situation im Akw ist auch ohne Kampfhandlungen prekär. So musste etwa die Kühlung seit Beginn des Ukraine-Kriegs bereits mehrfach über Notstrombetrieb erfolgen. Derzeit verlasse sich die Nuklearanlage auf die einzige noch funktionierende externe 750-Kilovolt-Stromleitung, die für die Reaktorkühlung und andere wesentliche Sicherungsfunktionen nötig seien. Vor Beginn der Kampfhandlungen verfügte das Werk über vier solcher externen Stromleitungen, hieß es in einem Bericht der IAEA vergangene Woche (bme mit dpa).

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