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Amnesty-Jahresbericht: Vergessene Krisen

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Von: Pitt von Bebenburg

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Alltäglicher Bruch von Menschenrechten: Eine kranke Frau kauert unbeachtet an einer Mauer im afghanischen Faizabad.
Alltäglicher Bruch von Menschenrechten: Eine kranke Frau kauert unbeachtet an einer Mauer im afghanischen Faizabad. © AFP

Myanmar, Ägypten, Äthiopien: Der Ukraine-Krieg überschattet andere Teile der Welt, die mit Krisen konfrontiert sind. Amnesty International fordert den Westen auf, auch dort zu handeln.

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine wirft einen Schatten auf die ganze Welt. Doch er darf nicht die Aufmerksamkeit für Konflikte und Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern verstellen. Das fordert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International in ihrem Jahresbericht für 156 Länder, den sie in der Nacht zu Dienstag veröffentlichte und bereits am Montag in Berlin vorstellte.

Zum zweiten Mal prägt der Ukraine-Krieg etliche Teile des Jahresberichts, denn der Angriff Russlands bedroht die Menschenrechte in vielerlei Hinsicht. Menschen in der attackierten Ukraine werden bombardiert und getötet. Darüber hinaus hat der Krieg eine weltweite Lebensmittelkrise verursacht und die Energieversorgung global durcheinandergebracht.

Die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard, stellt trotz dieser Lage Fragen nach einer möglichen Hoffnung in Zeiten der Katastrophe. Angesichts der klaren Verurteilung Russlands in der Vollversammlung der Vereinten Nationen fragt Callamard im neuen Jahresbericht ihrer Organisation: „Könnte Russlands Aggression gegen die Ukraine zum Weckruf werden? Könnte sie dafür sorgen, dass die Welt sich auf Menschenrechte und universelle Werte verständigt?“

Doch die Zeichen stehen nicht auf Hoffnung, erst recht nicht, wenn man die desaströse Lage der Menschenrechte betrachtet, wie sie im Amnesty-Jahresbericht schonungslos aufgezeigt wird. Drei Beispiele: Der Krieg in Äthiopien, insbesondere in der Region Tigray, habe sich zu „einem der tödlichsten Konflikte der jüngeren Geschichte“ entwickelt. Für Palästinenserinnen und Palästinenser im Westjordanland sei 2022 „das tödlichste Jahr seit einem Jahrzehnt“ gewesen. In Myanmar verfolgten die Militärmachthaber systematisch die Völker der Karen und Karenni. Weitere tödliche Konflikte hätten sich etwa in Haiti, Mali, Venezuela und Jemen abgespielt, stellt Callamard fest – also fast rund um den Erdball.

Zudem beklagt die Menschenrechtsorganisation, dass der Westen „doppelte Standards“ anlege beim Umgang mit dem Krieg gegen die Ukraine und anderen Kriegen. Dies zeige sich zum Beispiel im „ohrenbetäubenden Schweigen zu Menschenrechtsverletzungen in Saudi-Arabien und Ägypten“, urteilt Callamard. Die doppelten Standards seien auch in der Flüchtlingspolitik zu beobachten. „Die offenen Türen der EU für ukrainische Geflüchtete bleiben für diejenigen geschlossen, die vor Krieg und Unterdrückung in Afghanistan und Syrien fliehen.“

So werde in Afghanistan jetzt die ganze Dramatik der Machtübernahme der Taliban klar. Frauen würden aus der Öffentlichkeit verdrängt, friedlich Protestierende willkürlich in Haft genommen, wo sie gefoltert würden und teilweise verschwänden. Personen, die mit der vertriebenen Regierung in Verbindung gesetzt würden, müssten eine Hinrichtung ohne Prozess befürchten.

Auch die katastrophalen Folgen des Klimawandels werden in dem Jahresbericht deutlich aufgezeigt. So habe es am Horn von Afrika die schlimmste Dürre seit 40 Jahren gegeben, während das südliche Afrika extreme Niederschläge erlebte. In Madagaskar hätten zwischen Januar und April 2022 sechs Tropenstürme Verwüstungen angerichtet und mehr als 200 Menschen getötet.

Der Bericht ist auch geprägt von den Folgen der weltweiten Covid-Pandemie. Sie habe etwa auf dem amerikanischen Kontinent „verheerende Effekte“ gehabt. „Die Behörden konnten Millionen von Menschen nicht den Zugang zu Essen, Wasser und Gesundheitsversorgung sicherstellen“, beklagen die Autor:innen des Berichts.

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