AfD-Parteimitglieder in Chats: Forderungen nach „Umsturz“, „Revolution“ und „Bürgerkrieg“

Geleakte Chats aus einer AfD-Telegram-Gruppe offenbaren verstörende Aussagen darüber, dass man die freiheitliche demokratische Grundordnung mit Gewalt bekämpfen müsse.
München - Mitglieder der AfD schockieren erneut mit extremistischen und menschenverachtenden Aussagen. Diesmal geht es um Teile der Partei in Bayern, dem Landesverband, der bisher eigentlich nicht zu dem rechtsextremen Flügel der rechtsnationalen Partei gezählt wurde – anders etwa als die AfD Thüringen mit ihrem Fraktionsvorsitzeden Björn Höcke.
„Denke, dass wir ohne Bürgerkrieg aus dieser Nummer nicht mehr rauskommen werden“, lautet eine der verstörenden Nachrichten aus einer geschlossenen Telegram-Gruppe, die dem Bayrischen Rundfunk (BR) exklusiv vorliegen. Anne Cyron, familienpolitische Sprecherin der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag und Verfasserin besagter Nachricht, unterhält sich im Chat mit einem oberbayerischen AfD-Kreisvorsitzenden über den notwendigen Umsturz in Deutschland.
Er schreibt von „regierenden Verbrechern“, dass das System „korrupt“ und „kriminell“ sei und: „Ohne Umsturz und Revolution erreichen wir hier keinen Kurswechsel mehr.“ Schließlich mischt auch Georg Hock, inzwischen Mitglied im Landesvorstand der bayerischen AfD, mit und schreibt: „Absolute Zustimmung“. Der oberbayerischer AfD-Kreisvorsitzende legt später im Chat noch mal nach: „Wir brauchen die totale Revolution. Anzünden müsste man diese ganze Politik.“
AfD Bayern: Islamfeindliche und rassistische Nachrichten in Telegram-Gruppe
Der Name der Telegram-Gruppe lautet „Alternative Nachrichtengruppe Bayern“. Laut BR hat sie bis zu 200 Mitglieder, darunter 16 der 18 bayerischen Landtags- und elf der zwölf Bundestagsabgeordneten. Aus dem im Oktober 2021 neu gewählten AfD-Landesvorstand sind zehn von 13 Personen vertreten. Die Nachrichten stammen aus dem Zeitraum von Ende 2017 bis Mitte 2021.
Immer wieder werden auch islamfeindliche und rassistische Nachrichten ausgetauscht. 2018 schlägt der heutige Europaparlamentarier Bernhard Zimniok in einer Nachricht an die Gruppe vor, einen Schweinekopf vor einer Moschee abzulegen.
AfD Bayern: Corona als Chance
Im März 2021 im Angesicht der Corona-Pandemie spüren einige AfD-Mitglieder offenbar Aufwind und wollen die Krise für sich nutzen. Einen „Schulterschluss mit 30 bis 50 Prozent Impfskeptikern oder 40 Millionen Menschen da draußen“, schreibt damals der Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer laut BR in der Telegram-Gruppe. Boehringer ist als nächster Bundesvorsitzender im Gespräch.
„Impfdiktatur“ und „Impfapartheid“ sieht der Lindauer AfD-Politiker Rainer Rothfuß in den Maßnahmen gegen das Coronavirus und behauptet im Chat, Corona-Impfungen seien ein „Genozid an den reichen Europäern und Nordamerikanern, die sich die Impfung leisten können“. Rothfuß ist seit Oktober erster stellvertretender Landesvorsitzender der bayerischen AfD.
AfD Bayern: Beleidungen als „Untermensch“
Auch untereinander ist der Ton in der Telegram-Gruppe nicht unbedingt zivilisiert. Die AfDler:innen gehen sich mitunter hart an, beleidigen sich als „Untermensch“ - ein Begriff aus dem Nazi-Jargon. Auf eine einfache Frage nach einem nicht voll gezahlten Mitgliedsbeitrag droht der Angesprochene mit Gewalt: „Solche Kasper wie dich zieh ich durch ein Nasenloch. Ich hoffe, wir stehen uns mal gegenüber, dann bin ich gespannt, ob du auch so ‘ne große Klappe hast. Du kleiner Tastaturheld.“
Dies bewertet der neue Landesvorsitzende der bayerischen AfD und Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka als Meinungsfreiheit. Er ist einer der Administratoren der Gruppe. Vom BR auf die Beleidigungen und die Drohungen angesprochen, sagt Protschka: „Wenn sich Leute da intern was an den Kopf schmeißen, gehört das doch auch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung dazu, dass man verschiedener Meinung ist.“
AfD Bayern will sich nicht konkret äußern
Protschka war laut BR auch im Jahr 2021 noch sehr aktiv in der Telegram-Gruppe und verfasste dutzende Beiträge. Auf Nachfrage des BR, was es denn mit der „Revolution“ und dem „Umsturz“ auf sich habe, behauptete der Bundestagsabgeordnete aber, er lese die Gruppe nicht mehr mit. Er fügte aber hinzu: „Solche Sachen klären wir intern im Landesvorstand oder in den entsprechenden Gremien und mit Sicherheit nicht mit der Presse.“
Peter Boehringer äußerte sich auf BR-Anfrage nicht konkret zu seinen Aussagen in der Telegram-Gruppe, betonte aber, dass man damals „selbstredend“ vor der Impfung warnen musste. Anne Cyron, Georg Hock, Rainer Rothfuß und der oberbayerischer AfD-Kreisvorsitzende, der den „Umsturz“ fordert, äußerten sich auf BR-Anfrage nicht. (Sonja Thomaser)