US-Abtreibungsgesetze: Wie Zyklus-Apps zum Problem werden
Seit einige Staaten in den USA das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche eingeschränkt haben, empfehlen Frauenrechtlerinnen, Zyklus-Apps vom Handy zu löschen.
Washington, D.C.–- In zahllosen Bereichen haben Smartphone-Apps über die letzten rund 15 Jahre unseren Alltag erleichtert und viele Probleme der analogen Welt im Digitalen gelöst. Geburtstag der Tante? Erinnerung im Smartphone. Abfahrtszeit und Gleis der nächsten U-Bahn? Steht im Smartphone. Bezahlen beim Bäckerß Dank Smartphone kann man sich sogar das Kramen nach dem Geldbeutel sparen.
Auch beim Nachverfolgen des weiblichen Zyklus helfen seit Jahren diverse Smartphone-Apps, statt, wie früher, der Taschenkalender im Scheckkartenformat. Doch die könnten Frauen in einigen US-Bundesstaaten nun gefährlich werden. Wegen fehlender Datensicherheit könnten Staaten, die zuvor das Recht auf Abtreibung eingeschränkt haben, nun in Einzelfällen auf Zyklusdaten zugreifen und damit versuchen, illegale Abtreibungen zu belegen. Und die Gesetzgebung macht das Problem nicht besser.
US-Politik zum Thema Abtreibungen: Gouverneur in Virginia stellt sich gegen Gesetzesentwurf
So wurde erst Mitte Februar ein Gesetzesentwurf in Virginia abgelehnt, der zum Ziel hatte, Daten aus Gesundheitsapps vor Strafverfolgungsbehörden abzuschirmen. Das berichtete etwa Business Insider. Das von Republikanern und Demokraten vorgeschlagene Gesetz sei am 56-jährigen republikanischen Gouverneur des Bundesstaats, Glenn Youngkin, gescheitert. Konkret beinhaltete die Vorlage ein Verbot, elektronisch gespeicherte Menstruationsdaten per Untersuchungsbeschluss einzufordern.

Nach einem Bericht des Guardian war das Gesetz zuvor von einer großen Senatsmehrheit angenommen worden. Unter den Befürworter:innen sei auch rund die Hälfte der republikanischen Abgeordneten des Bundesstaats an der Ostküste der USA gewesen. Zur Begründung der Blockade durch den Gouverneur hieß es von einer Regierungsmitarbeiterin des Bundesstaats: „Aktuell sind alle Gesundheitsdaten und auch alle App-Daten per Untersuchungsbeschluss abrufbar. Und wir glauben, das sollte auch so bleiben“.
Schwangerschaftsabbruch in den USA: In 14 Staaten illegal oder kaum umsetzbar
Dabei ist die Episode aus Virginia nur ein weiteres Kapitel in einer langen Kontroverse, seit der Supreme Court der USA vergangenen Sommer das bundesweit geltende Abtreibungsrecht gekippt hat. Seither ist die Landkarte der Vereinigten Staaten ein einziger Flickenteppich aus Fristen, Regeln, Verboten und sogar finanziellen Anreizen für mögliche Denunziant:innen. In 14 Bundesstaaten, darunter Texas, Georgia und Wisconsin sind Abtreibungen inzwischen komplett verboten oder bereits so früh illegal, dass Schwangeren praktisch keine Zeit dafür bleibt.
In anderen gelten Regeln, die vorsehen, dass sich Schwangere vor einer Abtreibung eine Ultraschallaufnahme des Ungeborenen ansehen, oder minderjährige Schwangere die Erlaubnis ihrer Eltern einholen müssen. Ob die Schwangerschaft Resultat einer Vergewaltigung ist oder eine Geburt das Leben der Mutter aufs Spiel setzen würde, bleibt dabei stellenweise unberücksichtigt.
Datensicherheit in Zyklus-Tracking-Apps: Viel Misstrauen in der US-Bevölkerung
In mehreren Staaten kann es für ungewollt Schwangere also nicht nur schwierig werden, überhaupt an eine Möglichkeit für eine Abtreibung zu kommen: Auch die Auswertung von Gesundheitsdaten durch Strafverfolgungsbehörden ist eine realistische Befürchtung. Das zeigte zuletzt laut einem Bericht der Technik-Plattform PCmag.com auch eine Umfrage. Sie ergab ergab, dass Nutzer:innen kaum einer App weniger vertrauen als Zyklus-Tracking-Apps, wenn es um die Sicherheit ihrer Daten geht.
In der Befragung, die das VPN-Unternehmen Surfshark herausgegeben hatte, landeten gleich fünf solcher Angebote unter den Top 10 Apps mit der höchsten Misstrauensquote, dicht gefolgt von Dating-Apps wie Hinge, Bumble oder Tinder.
Anbieter von Zyklus-Apps hat das bereits dazu gebracht, durch Verschlüsselung Datenabflüsse zu erschweren. In der Datenschutzbestimmung des Anbieters Stardust heißt es inzwischen etwa: „Während wir nichts dagegen tun können, dass die Regierung mit Untersuchungsbeschluss auf eure Daten zugreifen will, können wir es verhindern, dass wir als Unternehmen Zugriff auf diese Daten haben.“ Dazu liegen dem Unternehmen nach eigenen Angaben nur anonyme Datensätze vor, die es ohne Zugangsdaten einzelnen Nutzerinnen nicht zuordnen kann. Wem das dann immer noch zu riskant ist, bleibt immer noch die Rückkehr zum guten alten Taschenkalender - der angesichts der aktuellen Entwicklungen in der US-Politik womöglich bald auf Esspapier gedruckt werden könnte. (ska)