Prigoschin stichelt wieder - und lässt letzte Rekrutierungs-Hemmungen fallen

Menschenmaterial ist Jewgeni Prigoschins Währung im Kreml-Machtkampf. Unter anderem in Sportclubs will er 30.000 Mann rekrutieren - aber nicht nur dort.
Moskau/Frankfurt - Neues Menschenmaterial für die Ukraine-Front könnte der letzte und entscheidende Trumpf für Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin im Ringen um eine Machtposition sein. Entsprechend will „Putins Koch“ nun mit allen Mitteln neue Söldner für seine Einheiten gewinnen: Bis Mai will er 30.000 Freiwillige für seine private Truppe rekrutieren. Das teilte er am Samstag (18. März) selbst über seinen Telegram-Kanal mit.
Dabei wird aber zunehmend auch deutlich, dass Prigoschin auf immer abwegigere Rekrutierungsmitteln zurückgreifen muss. Zuletzt hieß es, die Wagner-Gruppe nehme nun weibliche Häftlinge in den Dienst auf - oder sogar auf Schüler. Die Moscow Times etwa entdeckte zudem eine Anzeige auf einer einschlägigen Webseite für Erwachsenen-Clips.
Prigoschin rekrutiert jetzt in Sportclubs - und auf Erwachsenen-Seiten im Netz
Jüngster offizieller Schauplatz von Prigoschins Kampf um „Freiwillige“ waren aber russische Sportclubs. Bei einer Werbekampagne an diesen Orten hätten zuletzt 500 bis 800 Männer täglich einen Vertrag unterschrieben, hieß es im Telegram-Kanal von Prigoschins Pressestab: „Die Rekruten werden in Trainingslager geschickt.“
Zugleich setzt Wagner offenbar auf Reklame im Kontext mit Erotik. Die Worte „wir sind die verdammt beste Privatarmee der Welt. Wir rekrutieren Kämpfer aus allen Regionen Russlands“, verlese eine weibliche Stimme in einer Anzeige auf einer der größten entsprechenden Webseiten, berichtete die Moscow Times.
Wagner vor Problemen? Prigoschin stichelt im Ukraine-Krieg wieder - „Aussichten nebulös“
Der Kreml hatte Prigoschin zuletzt seine Rekrutierungsmaßnahmen massiv erschwert - etwa durch ein Verbot, Söldner in Strafkolonien zu rekrutieren. Der Wagner-Chef beklagte auch abgeschnittene Kommunikationswege in den Kreml.
Ein Problem könnte gleichwohl auch die Front-Praxis der Wagner-Truppen sein: Berichte über schlechte Ausbildung und brutalste Verhältnisse im Einsatz kursieren im Westen und könnten auch die Motivation russischer Dienstanwärter dämpfen. Ebenso wie Berichte, das russische Verteidigungsministerium verheize absichtlich Söldner in der Schlacht um Bachmut.
Ukraine-Krieg: Prigoschin kritisiert Vorgehen des Verteidigungsministeriums
Prigoschin ließ nun einmal mehr Kritik am Vorgehen des Verteidigungsministeriums durchblicken. Er schien zugleich auf bessere Einbindung zu drängen. „Einstweilen sind die Aussichten nebulös“, sagte er zu den Perspektiven im Ukraine-Krieg. Die russischen Kräfte sollten sich auf eine Offensive der Ukraine vorbereiten. Für einen Sieg sei Einigkeit notwendig. Deshalb müsse man „Meinungsverschiedenheiten, Kränkungen und alles andere“ hinter sich lassen, forderte er.
Prigoschin erinnerte am Sonntag auch daran, dass Wagner-Kämpfer vor genau einem Jahr am 19. März erstmals in die Kämpfe in der Ukraine eingegriffen hätten. Derzeit kämpfen die Söldner vor allem in der Stadt Bachmut in der Ostukraine, wo sie unter hohen Verlusten vorrücken. (fn mit Material von dpa)