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„Erlebt man nur einmal im Leben“: Zyklon „Freddy“ verhält sich ungewöhnlich

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Von: Johannes Dieterich

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Bisher gab es keinen Sturm, der sich so lange hielt wie „Freddy“ – hier in der Straße von Mosambik, rechts liegt Madagaskar. imago images
Bisher gab es keinen Sturm, der sich so lange hielt wie „Freddy“ – hier in der Straße von Mosambik, rechts liegt Madagaskar. © imago images

Seit einem Monat wirbelt Zyklon „Freddy“ die Ostküste Afrikas entlang. Anstatt sich über Land abzuschwächen, zog er hinaus aufs Meer – und nimmt nun erneut Kurs auf Mosambik

Maputo – Er mag einen netten Namen haben, sein Charakter ist alles andere als sympathisch. Seit mehr als zwei Wochen wirbelt Zyklon „Freddy“ zwischen der südostafrikanischen Insel Madagaskar und dem mosambikanischen Festland hin und her, tötet Menschen und richtet Milliardenschäden an. Seit seiner Entstehung vor über einem Monat nördlich von Australien hat der Wirbelsturm rund 8000 Kilometer zurückgelegt – so viel wie seit zwei Jahrzehnten kein Unwetter mehr.

Seit Beginn der Wetteraufzeichnungen gab es nur drei Zyklone, die den gesamten Indischen Ozean von Ost nach West überquerten, weiß die „National Oceanic and Atmospheric Administration“ in Washington: Freddy schickt sich sogar an, zum am längsten tobenden Zyklon der registrierten Wettergeschichte zu werden. „So etwas erlebt man nur einmal im Leben“, sagt Wayne Venter von Südafrikas Wetterdienst.

Zyklon oder Tropenstrum? Genfer Weltorganisation überlegt „Freddy“ den Weltmeistertitel zu verleihen

Den Rekord hielt bisher „John“, ein Zyklon, der 1994 einunddreißig Tage lang über den Pazifik fegte. Freddy ist mit 33 Tagen schon zwei Tage länger unterwegs – allerdings hatte er sich zwischenzeitlich zu einem bloßen Tropensturm mit einer Windgeschwindigkeit von unter 100 Kilometern beruhigt. Die Genfer Weltorganisation für Meteorologie erwägt derzeit, ob sie Freddy den Weltmeistertitel zuerkennen soll oder nicht. Ungewöhnlich ist vor allem, dass sich Freddy nach seiner Begegnung mit dem mosambikanischen Festland nicht allmählich abschwächte, sondern aufs Meer zurückkehrte und dort wieder mächtig auftrumpfte.

Insgesamt erlebte der Wirbelsturm sechs starke Beschleunigungsphasen. In besten Zeiten soll Freddy Windgeschwindigkeiten von 260 Kilometern pro Stunde erreicht haben. Als gesamtes Wettersystem bewegte sich Freddy allerdings nur relativ langsam fort, weswegen er zum Leidwesen der Menschen in Madagaskar und Mosambik auch besonders viel Feuchtigkeit mit sich führte.

Zyklon „Freddy“ sorgte für dreimal mehr Regen, als im Monatsdurchschnitt

Schon bei seiner ersten Überquerung der viertgrößten Insel der Welt ließ Freddy vor mehr als zwei Wochen dreimal mehr Regen aufs Land fallen als im monatlichen Durchschnitt. Dadurch kam es im Westen und Süden Madagaskars zu Überschwemmungen und Erdrutschen: Nach UN-Angaben waren 260 000 Menschen von den sintflutartigen Regenfällen betroffen, 150 000 seien jetzt auf Hilfe angewiesen. Bei seiner Rückkehr auf die Insel aus westlicher Richtung richtete der Wirbelsturm mehrere Tage später weitere Schäden an: Mindestens elf Menschen sollen ums Leben gekommen sein, darunter zwei Kinder.

Derzeit befindet sich Freddy wieder auf dem Weg von Madagaskar nach Mosambik, wo er in der Nacht zu Samstag zum zweiten Mal erwartet wurde. Schon bei seiner ersten Heimsuchung zerstörte oder überflutete der Zyklon in der Region um die Hafenstadt Beira nach UN-Angaben fast 30 000 Häuser, 25 Gesundheitsstationen und mehr als 900 Klassenzimmer – auf rund 19 000 Hektar wurden Acker- und Anbauflächen zerstört, auf fast 40 000 Hektar zumindest teilweise oder schwer beschädigt. In der von Freddy heimgesuchten Region leben fast eine Million Menschen.

Regenfälle und Überschwemmungen: Cholera-Epidemie könnte sich in Mosambik zuspitzen

Besondere Sorge bereitet den mosambikanischen Behörden eine Cholera-Epidemie, die seit Wochen im Nachbarland Malawi tobt und inzwischen auch auf Mosambik übergriff. Hier wurden bereits mehr als 7500 Fälle der Durchfallerkrankung gemeldet, in Malawi sind es 50 000. Es ist die schlimmste Cholera-Epidemie, die aus Malawi bislang gemeldet wurde: Mehr als 1500 Menschen fielen ihr zum Opfer. Da schwere Regenfälle und Überschwemmungen das Trinkwasser verunreinigen, wird auch in Mosambik mit einer Verschlimmerung der Cholera-Epidemie gerechnet.

Dass Mosambik immer häufiger von schweren Stürmen heimgesucht wird, führen Fachleute auf die Klimaerwärmung zurück. Vor vier Jahren verheerte der Zyklon „Idai“ die Mitte des über 2000 Kilometer langen Landes: Damals kamen mehr als 1000 Menschen ums Leben (siehe Infokasten). Mit „Batsirai“ und „Emnati“ lösten sich 2022 in rascher Folge gleich zwei Wirbelstürme ab: Ihnen fielen 120 Menschen zum Opfer. Dass die Zahl der Toten dieses Mal verhältnismäßig gering ausfiel, liegt nach Auffassung von Hilfsorganisationen daran, dass die Menschen früher gewarnt wurden und somit mehr Zeit hatten, sich und ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen. (Johannes Dieterich)

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