Wer im Frack zum König rennt …

… gehört schon zum Establishment?
Unsichere Zeiten, auf nichts ist mehr Verlass. Selbst Punkmusiker sind im Establishment angekommen, wie beim Staatsbankett von König Charles in Berlin am Mittwoch zu besichtigen war. Da sprang ein gutgelaunter Campino, bürgerlich Andreas Frege, immerhin Frontmann einer der erfolgreichsten Punkbands, die Stufen vorm Schloss Bellevue hoch – im Frack statt in Toten Hosen. Die britischen Wurzeln mütterlicherseits drängten den Sänger der Toten Hosen in royale Nähe, aber die eigentliche Provokation war natürlich der spießige Frack für einen Punk, der qua Herkunft zerrissene Jeans als Arbeitsuniform zu tragen hat. Im Netz erntete der Düsseldorfer Spott und Häme.
Das ist natürlich alles Quatsch. Herr Frege ist Frontmann einer millionenschweren Punkrock-Kapelle, 60 Jahre alt, ungefähr so viel subversives Establishment wie Joschka Fischer. Die Frage ist doch vielmehr: Was ist noch subversiv in Zeiten, da Versicherungen in ihrer Werbung „rocken“ und Hardrock in Musicals verramscht wird und selbst Hip Hop langsam aufs Altenteil rutscht? Oder der frühere Sex-Pistols-Sänger John Lydon beim weichgespülten Eurovision Songcontest mitmachen will?
Da ist es doch um einiges schockierender, einen Punk a. D. wie Campino im Frack und weißer Fliege zu sehen. Und einen König, der 74 Jahre geduldig darauf wartet, endlich seinen Job antreten zu dürfen. Mehr Punk geht nicht!