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Weihnachtliches Würfelglück

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Von: Boris Halva

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Wie die Bescherung richtig Spaß macht: Teil 11 unseres FR-Adventskalenders.

Geschenke sind wie die Steuererklärung. Für Auserwählte eine leichte Übung, an deren Ende sich immer jemand freut; aber für viele ist es eine Qual, jedes Jahr aufs Neue. Okay, Kinder zu beschenken ist nicht schwer, sie schreiben Wunschzettel oder erwähnen beiläufig (täglich!), wie schön es doch wäre, dies oder das zu haben und dass sie sich „nieeeee meha!“ was wünschen würden, wenn… Aber womit bitte Mutter, Schwager und Schwiegersohn in spe eine Freude machen? Womit Menschen überraschen, die wunschlos glücklich sind?

Diese Frage stellt sich in unserer Familie seit etwa zwölf Jahren nicht mehr so drängend, weshalb man sich uns als eine Gemeinschaft glücklicher Menschen vorstellen darf. Von einem Weihnachtsfest beim in Schweden lebenden Teil der Familie haben wir damals ein Würfelspiel importiert, das – über die Jahre immer weiter ausgefeilt – inzwischen der eigentliche Höhepunkt jeder Heiligabendzusammenkunft ist.

Das Prinzip ist einfach: Die Erwachsenen (inzwischen gehören auch fast alle Kinder dazu) kaufen je drei Geschenke im Wert von je zehn Euro – mehr ist erlaubt, kann aber unter Umständen als Prahlerei oder zumindest mangelndes Taktgefühl gedeutet werden… Diese Geschenke werden dann im Laufe des Abends im Gabenzimmer abgestellt, und zwar so, dass die anderen nicht sehen, wer was beiträgt – klingt umständlich, aber macht es spannender. Das Tolle am Würfelspiel ist außerdem: Der Spaß fängt schon beim Einkaufen an! Kann man doch Dinge kaufen, die einem selbst total gefallen – und wenn einem die Würfel gewogen sind, darf man sie ja behalten.

Weihnachtsrituale:

Für die einen ist es die Gans an Heiligabend, für die anderen muss es „Drei Nüsse für Aschenbrödel“ im Nachmittagsprogramm sein. Wir alle haben bestimmte Geschichten, Filme oder auch Rituale, die zu Weihnachten gehören – und ohne die unsere Adventszeit nur halb so festlich wäre. In diesem Jahr finden Sie im FR-Adventskalender nicht nur die beliebten persönlichen Geschichten, sondern hin und wieder auch Verlosungen. Viel Glück und auf jeden Fall: Frohes Fest! (FR)

Wenn gegen 22 Uhr Dessertschalen und Schnapsgläser geleert sind, kommen die Geschenke in die Mitte der Tafel und Runde eins beginnt: Es wird reihum gewürfelt, wer eine eins oder eine sechs würfelt, darf sich ein Geschenk nehmen. Nehmen, nicht auspacken! Diese Runde endet, wenn alle Geschenke verteilt sind. Aber keine Sorge, auch wenn die Schwägerin feixt, „der Boris hat mal wieder den größten Berg vor sich“, es zählt, was am Ende von Runde zwei vor einem liegt.

Jetzt wird sowieso erstmal ausgepackt. Wer auspackt, erzählt ein bisschen was dazu, was meist schon sehr lustig ist. Und spontane Kommentare lassen sich eh kaum vermeiden. Der Schwager sagt seelenruhig: „Oh, ein schweres Päckchen.“ Darauf die Schwiegermama: „Geht aber leicht auf. mach‘ hin jetzt!“ – Abgesehen vom Unterhaltungswert: So wird die Auspackrunde zur Bescherung für alle – alle sind gespannt, alle sind erstaunt. Und alle erkiesen (passt an Weihnachten eh gut) während dieses Zwischenspiels jene Präsente, für die sie in Runde zwei all ihr Würfelglück bündeln werden. Immer wieder erstaunlich, welche Leidenschaft eigenwillige Dekofische auszulösen vermögen – oder wie viele in der Familie dann doch auf Wildschweinwurst oder Vanille-Handcreme stehen.

Okay, Runde zwei. Jetzt spielt die Zeit mit. Timer an – und dann wird reihum gewürfelt. Bei eins und sechs darf man sich ein Geschenk vom anderen nehmen, wenn jemand nur eins vor sich liegen hat, dann darf man das nicht wegnehmen, sondern muss eins der eigenen dafür eintauschen. So ist sichergestellt, dass man wenigstens ein Geschenk hat, wenn die Zeit abgelaufen ist. Dann geht es hin und her, gerne auch hoch her, mitunter so hoch, dass es mich in manchem Jahr nicht gewundert hätte, wenn besorgte Nachbarn die Polizei gerufen hätten.

Wir haben die Spielzeit für Runde zwei über die Jahre auf zehn, manchmal fünfzehn Minuten ausgedehnt, weil es einfach unglaublichen Spaß macht, zu sehen, wie das feine Honig-Trio von einem zur anderen wandert, wie Bündnisse geschmiedet werden („Lass, wenn der Papa die Superlose hat, bekommen wir ja auch was von der Million ab…!“) und wieder zerfallen („Ich nehm‘ doch die Creme!“), wie Schwiegermama die Arme schützend um die Geschenke vor sich legt, die sie nach dem Spiel ohnehin an Enkel und Töchter verteilen wird.

Und wenn die Zeit dann wirklich abgelaufen ist, brandet kurzer Jubel auf, bevor es für einen Moment feierlich still wird im Raum. Im Hintergrund, ganz leise, frohlocken die glockenhellen Stimmchen der Kelly Family und die glitzernden Sterne am Fenster werfen wie kleine Diskokugeln goldene Punkte an die Wand. Und wenn die Schwiegermama sagt: „So, dann haben wir das auch geschafft“, ist klar: jetzt wird‘s so richtig gemütlich. Für alle, denn alle wissen: Das mit den Geschenken, das wird auch nächstes Jahr wieder ein Hit.

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