Vermisste Maddie in Polen aufgetaucht? Wie zwei Hellseher plötzlich skurrile Schlüsselrollen spielen
Die Ermittlungsbehörden arbeiten im Fall Maddie McCann eng mit zwei Hellsehern zusammen. Das wirft Fragen auf. Antworten können auch sie keine geben - bislang.
Breslau/München - Es ist einer der außergewöhnlichsten Kriminalfälle der Geschichte. Und er wird immer skurriler. 2007 verschwand die damals knapp vierjährige Madeleine Beth McCann, besser als Maddie bekannt, aus dem Bett einer Ferienanlage im portugiesischen Praia da Luz.
16 Jahre später taucht im Februar 2023 ein Mädchen namens Julia aus Breslau in Polen auf. „Ich will die Wahrheit wissen, helft mir. Ich muss mit Kate und Gerry McCann sprechen“, verkündet sie über einen Instagram-Account. Dazu postet sie Fotos von sich und der verschwundenen Maddie McCann, die beweisen sollen, dass es sich um dieselbe Person handelt.
Vermisste Maddie in Polen aufgetaucht? Selbst Julias Familie schaltet sich ein
Verifizieren lassen sich die Behauptungen von Julia bislang nicht – Klarheit könnte allerdings ein DNA-Test bringen. Der Psychologe Dr. Dirk Baumeier glaubt bei RTL zwar „eine gewisse seelische Verwirrung“ zu erkennen, Verifizierungsexperten verneinen allerdings bereits aufgrund verschiedener Merkmale eine Übereinstimmung.

Selbst Julias offenkundige Familie schaltete sich bereits ein. Unter Verweis auf psychische Probleme ihrer Tochter machte sie auf der Facebookseite der polnischen Organisation für Vermisstensuche „Zaginieni przed laty“ (übersetzt: Vor Jahren verschwunden) deutlich: „Für uns als Familie ist es klar, dass Julia unsere Tochter, Enkelin, Schwester, Nichte, Cousine und Stieftochter ist. Wir haben Erinnerungen, wir haben Bilder.“ Sie habe schon immer berühmt sein wollen, heißt es. Und die Familie fürchtet, dass Julia die Aufmerksamkeit nun nicht verkrafte.
Vermisste Maddie: Zwei Hellseher spielen plötzlich skurrile Schlüsselrollen
Nun folgt das nächste Kapitel: Wahrsager spielen mittlerweile eine Schlüsselrolle in dem Fall. Denn Julia hat sich Hilfe von keiner geringeren als der amerikanischen Hellseherin Fia Johansson geholt. Diese hat mittlerweile sogar der Wochenzeitung Zeit ein Interview gegeben. Sie selbst ist überzeugt davon, dass Maddie noch lebt. „Ich weiß, wie es sich anfühlt, wenn jemand komplett tot ist“, sagt sie.
Ob Julia tatsächlich die Vermisste ist, könne sie jedoch nicht sagen. Johansson ist auf Instagram ziemlich erfolgreich, hat über neun Millionen Follower. Sie ist nun Julias wichtigste Bezugsperson. Laut der Zeit kanalisiert sie alle Presseanfragen und ist mittlerweile in allen Live-Videos mit Julia dabei. Dazu erzählt sie von ihrer Fähigkeit, auch mit Toten sprechen zu können, weshalb sie regelmäßig mit der Polizei kooperiere. Namen oder andere Details wollte sie jedoch nicht nennen.
Behörden, die bei Vermisstenfällen auf Wahrsager setzen, wer hätte das gedacht? Aber nach 16 Jahren nahezu erfolgloser Ermittlungsarbeit wollen die Fahndungsbehörden offenbar nichts unversucht lassen. Auch nicht in Deutschland.
Hellseher Schneider führte SAT.1 2014 schon auf eine falsche Spur - jetzt will er neue Koordinaten haben
Und so kommt es, dass offenbar noch ein zweiter Hellseher, einen wichtigen Part im Fall Maddie einnimmt: Michael Schneider. Er will eng mit der Staatsanwaltschaft Braunschweig zusammenarbeiten. Und tatsächlich soll Staatsanwalt Christian Wolters der Zeit gegenüber eingeräumt haben, mit diesen wie „wahrscheinlich mit 100 oder mehr Menschen oft über den Fall gesprochen zu haben“. Schneider sei ein „Hinweisgeber“, man prüfe „alle Hinweise, ganz gleich, von wem sie kommen“.
Und Schneider gibt viele Hinweise. 2016 reiste er mit einem Team von SAT.1 zu einem Ort in der Nähe des Feriendorfes, an dem das Kind verschwand. Er hatte Koordinaten ausfindig gemacht, wo die Leiche liegen sollte. In der prophezeiten Schlucht bei Albufeira aber war - nichts.
Nun habe er die Koordinaten nachgeschärft. Wie Schneider behauptet, würde nun die Staatsanwaltschaft Braunschweig diese gerne überprüfen, doch die portugiesischen Behörden stellten sich quer.
Maddies Mörder schon in Haft? Die Verteidigerseite tobt anhand der Braunschweiger Praktiken
Es liegt auf der Hand, dass die Praktiken von Wolters nicht allen gefallen. Schon gar nicht der Seite des einzig Verdächtigen in dem Fall, Christian B. „Die Staatsanwaltschaft ist dazu da, rechtsstaatliche Ermittlungen zu fördern und nicht Unfug“, sagt dessen Verteidiger Johann Schwenn. Hellseherei sei keine Wissenschaft, was auch der Bundesgerichtshof gesagt habe. „Entsprechende Angebote hat die Staatsanwaltschaft daher nicht zur Prüfung, sondern in den Papierkorb zu werfen“, poltert er. Dass die Staatsanwaltschaft auch nur den Eindruck erwecke, sie würde etwas auf Hellseher geben, sei „indiskutabel“, so Schwenn.
B. wohnte an der Algarve, als Maddie McCann in Portugal verschwand. Kurz darauf soll er nach Deutschland geflohen sein. Er sitzt aktuell wegen der Vergewaltigung einer damals 72-Jährigen im Gefängnis und soll möglicherweise weitere Sexualdelikte begangen haben. Der Fall wirft zahlreiche Fragen auf. Ob Julia aus Breslau auch nur eine davon beantworten kann, ist fraglich.