Ihr Foto kennt die ganze Welt – diese dramatische Geschichte steckt dahinter

Der Krieg ist wenige Minuten alt, da trifft er die ersten Zivilisten. Olena Kurilos Foto ging an diesem Tag um die Welt, es war der Auftakt für ein leidvolles Jahr.
München - Es ist eines der ersten Bilder des Krieges in der Ukraine, eines der einprägsamsten und deshalb wohl eines, das auch 365 Tage später noch als Symbol für Russlands Invasion und Brutalität gegen Zivilisten steht. Olena Kurilo wird in den ersten Minuten des Krieges vor dem Krankenhaus ihrer Stadt Tschuhujiw bei Charkiw, im Osten der Ukraine, fotografiert. Nun erzählt die 52-Jährige über die Hintergründe des Fotos, den Morgen von Wladimir Putins Angriff und die dramatischen Folgen für sie persönlich.
Olena Kurilos Foto wird sogleich zum Symbol für Putins Grausamkeit im Ukraine-Krieg
Olena wurde von einer Explosion am 24. Februar 2022 aus dem Schlaf gerissen, wartete mit gepackter Tasche auf der Couch auf ihren Mann, der mit dem Auto schnell zurückkehren wollte. Dann explodierte die Scheibe des eigenen Wohnzimmers. „Ich dachte nur noch: Oh, mein Gott! Ich bin noch nicht bereit zu sterben, sagte Kurilo der AFP damals. „Ich war geschockt, spürte keine Schmerzen.“
Olena Kurilos Foto ging an diesem Tag um die Welt. Ein Jahr später ist sie eine gefragte Frau. Der Wochenzeitung Zeit sagt sie: Sie werde nie den Moment der Explosion vergessen. Glassplitter flogen überall umher, bohrten sich in ihre Haut und verschonten auch ihr Gesicht und die Augen nicht. Blutüberströmt wickelte sie sich etwas um den Kopf, wankte auf die Straße, um nach Hilfe zu suchen. Doch zunächst sah sie vor allem Verletzte. Eine russische Langstreckenrakete hatte im Vorgarten ein rund zehn Meter großes Loch hinterlassen. Merkur.de berichtet darüber.
Olenas Foto aus dem Krieg: „Erst am nächsten Tag erfuhr ich, dass ich zu einer Berühmtheit geworden war.“
Im Stern-Interview Anfang Februar erzählt sie, wie drei junge Männer in Schutzwesten auf sie zukamen: „Ich sah, dass sie von der Presse waren. Sie haben mich von allen Seiten fotografiert. Aber es war mir einerlei. Erst am nächsten Tag erfuhr ich, dass ich zu einer Berühmtheit geworden war.“
Kurilo ließ sich ihr Gesicht von Sanitätern verbinden, flüchtet in der Folge mit ihrem Freund nach Charkiw. Als Putins Bomben auch dort fallen, verlässt sie laut Bericht der Zeit auch die ukrainische Großstadt und macht sich auf den Weg zu ihrer Tochter nach Dnipro. Olena Kurilo hat nicht nur immer noch Schmerzen im Gesicht, jetzt kommt ein weiteres Problem hinzu: die Sehkraft ihrer Augen lassen nach.
Olena Kurilo plagen die Folgen der russischen Rakete noch heute
Sie fuhr mit ihrer Tochter nach Warschau, um sich operieren zu lassen. Doch auch nach mehreren Eingriffen besserte sich nichts. Dem Zeit-Bericht nach vermittelten sie ausgerechnet die Fotografen, die sie so berühmt machten, zu einem Krankenhaus nach London. „Meine Verletzungen bereiteten mir Höllenqualen. Auf dem rechten Auge bin ich fast blind. Ich habe meine Zähne verloren. Zurzeit fliege ich zwischen Warschau und London hin und her: Ein britischer Professor versucht, mein Auge zu retten“, erklärt sie im Stern. Die Operationen finanziere sie über Spenden, wie auch ihre Wohnung in Warschau.
Mittlerweile hat Kurilo immerhin 50 Prozent der Sehkraft wiedergewonnen. Mit Sicherheit ein großer Trost, in einem Jahr, in dem sie nicht nur ihre Heimat verlassen musste, sondern auch von ihrem in der Ukraine gebliebenen Freund verlassen wurde. Kurilo sehnt sich nach ihrer Heimat, „aber es gibt nichts, wohin ich zurückkehren könnte“. (mke)