„Unterwäsche“ und „dicke Jacken“ fehlen: Bundeswehr im Ukraine-Krieg nicht einsatzfähig?

Die Wehrbeauftragte Eva Högl beklagt erschreckende Ausrüstungsmängel bei den Bundeswehrsoldaten, die in Litauen die russische Armee abschrecken sollen.
Berlin – Vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine hat die Bundestags-Wehrbeauftragte Eva Högl Zweifel an der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr geäußert. „Die Kaltstartfähigkeit der Bundeswehr ist nicht so, wie sie sein müsste“, sagte Högl am Donnerstag (24.02.2022) dem TV-Sender Phoenix.
Eine Umstrukturierung der Bundeswehr, die man immer wieder angedacht habe, sei nun unumgänglich, mahnte Högl. „Wir hätten nicht gedacht, dass das so schnell, so brutal kommen wird“, räumte sie ein. Die Wehrbeauftragte äußerte die Erwartung, dass osteuropäische Staaten Deutschland um mehr militärischen Beistand bitten werden. Konkret nannte sie die baltischen Staaten sowie möglicherweise Rumänien. „Ich fordere, dass die Bundeswehr vorbereitet ist, dass sie dafür ausgerüstet, ausgestattet und ausgebildet ist – und das ist noch nicht an allen Stellen der Fall“, sagte Högl dazu weiter. Wenn etwa bei deutschen Soldaten in Litauen Kälte- und Nässeschutz fehlten, sei das „nicht akzeptabel in einem der reichsten Länder der Welt“. Dies müsse auch Auswirkungen auf die aktuellen Haushaltsberatungen haben.
Ukraine-Konflikt: Bundeswehr führt in Litauen eine Nato-Einheit zur Abschreckung von Russland
In einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen ging Högl dann noch einmal konkret auf die Situation der Bundeswehrsoldaten ein, die in Litauen auf dem Militärstützpunkt Rukla die russische Armee abschrecken sollen. „Die Soldatinnen und Soldaten müssen sich durch Wald und Feld schlagen, sind lange draußen“, sagte die Wehrbeauftragte. „Mir haben reihenweise Soldatinnen und Soldaten erzählt, dass sie keinen ausreichenden Kälte- und Nässeschutz haben.“

Auf die Frage, ob es etwa an Winterjacken fehle, sagte sie: „Genau, dicke Jacken, aber auch Unterwäsche. Alles was sie brauchen, um gut gegen Kälte und Nässe geschützt zu sein. Und das dürfte es in einem der reichsten Länder der Welt, in der Mitte Europas, eigentlich nicht geben.“
Die Ausrüstung sei aber reserviert für die schnelle Eingreiftruppe der Nato, berichtete sie. Dies sei „ein Skandal“, der schon ihre Vorgänger beschäftigt habe. „In Afghanistan hatten die Soldatinnen und Soldaten nicht alles, was sie brauchten. Ähnliches habe ich in Mali und Niger erlebt. Ich bin darüber ziemlich schockiert, weil mir immer gesagt wurde, im Einsatz sei alles vorhanden.“
Die Bundeswehr führt in Litauen auf dem Militärstützpunkt Rukla seit dem Jahr 2017 eine Nato-Einheit zur Abschreckung Russlands* und stellte bislang etwa die Hälfte der rund 1200 Soldaten. Wegen der schweren Spannungen im Ukraine-Konflikt hatte das Verteidigungsministerium zuletzt weitere etwa 350 Soldaten in das Partnerland entsandt. (cs/dpa)