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Über das Sterben sprechen

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Heimbewohnerinnen und -bewohner nutzen immer häufiger Beratungsangebot

Immer mehr Menschen in deutschen Alten- und Pflegeheimen nehmen die Kassenleistung in Anspruch, sich über rechtliche und medizinische Möglichkeiten zur Gestaltung des eigenen Sterbens informieren und beraten zu lassen. 2,6 Millionen Euro haben die gesetzlichen Krankenversicherungen im ersten Halbjahr 2019 für dieses Beratungsangebot ausgegeben. Im Gesamtjahr 2018, zu dessen Beginn die sogenannte „Gesundheitliche Versorgungsplanung für die letzte Lebensphase“ als neue Kassenleistung eingeführt worden ist, lagen die Kosten bei gerade einmal 64 000 Euro.

Die Zahlen stehen in der Antwort des Bundesgesundheitsministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion, die dem RedaktionsNetzwerk (RND) Deutschland vorliegt. Laut dem neu geschaffenen Paragraph 132g des Fünften Sozialgesetzbuches können Pflegeeinrichtungen Kassenpatientinnen und -patienten ein Beratungsgespräch „über die medizinisch-pflegerische Versorgung und Betreuung in der letzten Lebensphase sowie über Hilfen und Angebote der Sterbebegleitung“ anbieten. Im Rahmen dieses Beratungsgespräches sollen die individuellen medizinischen Abläufe während des Sterbeprozesses besprochen sowie Vorkehrungen für Notfallsituationen getroffen werden.

Die Festlegungen für das Lebensende können in Form einer Patientenverfügung niedergelegt werden. Möglich ist aber auch eine schlichte Gesprächsdokumentation, in der der Wille eines Patienten festgehalten wird. Über diese Gesprächsdokumentation besteht hinsichtlich ihrer Verbindlichkeit keine Einigkeit. Während bei einer Patientenverfügung das Bürgerliche Gesetzbuch klare, rechtliche Normen vorgibt, sind die Voraussetzungen einer dokumentierten Willensäußerung weniger streng.

Anders als bei Patientenverfügungen oder Vorsorgevollmachten stelle sich die „Frage nach dem rechtlichen Charakter der schlicht dokumentierten Willensäußerung“, heißt es in einem Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Deutschen Bundestages, das dem RND ebenfalls vorliegt. Die Willensäußerung verstehe sich „häufig als Vorbereitung zur Abfassung einer Patientenverfügung“, so die Expertinnen und Experten des Bundestages weiter.

In einem fiktiven Beispielfall geht der wissenschaftliche Dienst davon aus, dass eine behandelnde Ärztin oder ein Arzt Patientenverfügung und dokumentierte Willenserklärung vorliegen habe, um den Willen eines Patienten zu befolgen.

„Das Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes lässt an der Einschätzung der Bundesregierung zweifeln, dass eine Patientenverfügung zur Herstellung der Verbindlichkeit der Willensäußerung nicht zwingend erforderlich sei“, kritisiert die Sprecherin für Pflegepolitik der Linken-Bundestagsfraktion, Pia Zimmermann, im Gespräch mit dem RND. „Die aus der beitragsfinanzierten Beratung hervorgehende Willensäußerung bringt also den Menschen unter Umständen kein Mehr an Versorgungssicherheit“, so Zimmermann weiter.

Außerdem stört sich die Oppositionspolitikerin an der Weigerung der Bundesregierung, das Beratungsangebot auch für Patientinnen und Patienten außerhalb stationärer Pflegeeinrichtungen zugänglich zu machen. „Die Ignoranz der Bundesregierung angesichts der Versuche aller Bundesländer, das Angebot für die Versorgungsplanung am Lebensende auch auf die nicht-stationären Bereiche auszuweiten, ist mehr als bedauerlich“, sagt Zimmermann.

Der Gesundheitsstaatssekretär Thomas Gebhart (CDU) hatte in der Regierungsantwort auf die Kleine Anfrage der Linksfraktion die Beschränkung der Beratungsleistung auf stationäre Pflegeeinrichtungen verteidigt. „Andere Bereiche wie zum Beispiel die ambulante Versorgung erscheinen hierfür nicht geeignet“, so der Staatssekretär.

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