Streit um Insel Hans beendet: „Ein historischer Tag“

50 Jahre lang haben sich Kanada und Dänemark einen Streit um die Insel Hans geliefert. Nun haben sie sich den kahlen Felsen einfach geteilt – und Europa hat plötzlich eine Landgrenze zu Kanada.
So ganz ernst nehmen konnte man den Konflikt um den unwirtlichen 1,2 Quadratkilometer großen Felsen in der arktischen Nares-Meerenge zwischen Kanada und Grönland eigentlich nie. Aber Dänemark und Kanada stritten rund fünf Jahrzehnte darüber, wer die unbewohnte Insel Hans in den eisigen Gewässern für sich beanspruchen kann. Nun wurde dieser Stolperstein aus dem Weg geräumt. Beide Ländern verständigten sich unter Einbeziehung der Regierung Grönlands darauf, die in der Sprache der Inuit Tartupaluk genannte Insel zur Hälfte zu teilen.
Um die friedenstiftende Vereinbarung zwischen den beiden transatlantisch eng verbündeten Staaten zu feiern, reisten der dänische Außenminister Jeppe Kofod und Grönlands Premierminister Mute Bourup Egede am Dienstag in die kanadische Hauptstadt Ottawa, um gemeinsam mit Kanadas Außenminister Melanie Joly das „historische Ereignis“ zu würdigen. Auch der Regierungschef des kanadischen Arktisterritoriums Nunavut, P.J. Akeeagok war eingeladen. Schließlich geht es um eine Insel, die genau zwischen dem zu Dänemark gehörenden, aber halb autonomen Grönland sowie Nunavut liegt.
„Die Arktis ist ein leuchtendes Beispiel für internationale Kooperation, in der die Herrschaft des Rechts Vorrang hat“, sagte Joly in Ottawa. Gerade in Zeiten der Bedrohung globaler Sicherheit sei es wichtiger denn je, dass Demokratien wie Kanada und das Königreich Dänemark gemeinsam mit indigenen Völkern zusammenarbeiten, um Meinungsunterschiede nach internationalem Recht beizulegen. „Dies ist wirklich ein historischer Tag“, sagte Kofod. Nach mehr als 50 Jahren der Diskussion über die Hoheit über Tartupaluk sei nun eine Einigung erreicht. Dies zeige „unsere gemeinsame Entschlossenheit internationale Dispute friedlich zu lösen“. Politische Beobachter wie der kanadische Politologe und Arktisexperte Michael Byers sehen angesichts des Kriegs in der Ukraine die Vereinbarung als Signal, dass Grenzkonflikte friedlich gelöst werden können.
Ihren Namen hat die Insel vermutlich von einem gewissen Hans Hendrik, einem Grönländer, der im 19. Jahrhundert als Übersetzer an mehreren Arktisexpeditionen teilnahm. Einst wurde die Insel von Inuit genutzt, die zur Jagd von Grönland auf die Ellesmere-Insel kamen. Der öde Fels, 1000 Kilometer südlich des Nordpols, ist so unwirtlich, wie man es sich nur denken kann. Dennoch gab es um diese Insel immer wieder Streit zwischen Kanada und Dänemark. Beide Länder beanspruchen die Hoheit über die Insel Hans. Denn als 1973 durch einen UN-Vertrag die Grenze zwischen Dänemark und Kanada in der hohen Arktis festgeschrieben wurde, blieb ein kleines Seegebiet in der Nares Strait, ein schmaler Kanal, der Grönland von der kanadischen Ellesmere-Insel trennt, unberührt. Genau dort liegt die Insel Hans.
Seitdem hissten dort beide Seiten immer wieder provokativ ihre Flaggen. 2002 und 2003 besuchte dänisches Militär die unbewohnte Insel. Zwei Jahre später war Kanada an der Reihe. Der damalige Verteidigungsminister Bill Graham setzte demonstrativ seinen Fuß auf die Insel und unterstrich Kanadas Anspruch: „Unsere ständige Position ist, dass die Insel zu Kanada gehört.“ Militärangehörige hissten die Ahornblattflagge und bauten einen Inukshuk, eine Steinfigur, die zum Symbol für Kanadas Arktis geworden ist. Was wiederum Dänemark ärgerte und zu einer Protestnote veranlasste. Manchmal wurde der Konflikt schlicht „Whiskey-Krieg“ genannt, denn die Dänen hinterließen, so wird kolportiert, unter einem Steinhaufen auf der Insel Brandy mit der Botschaft „Willkommen auf der dänischen Insel“, Kanada revanchierte sich mit kanadischem Whiskey und einem ähnlich lautenden Willkommensgruß.
Die Insel ist unbewohnt, hat keine Fauna und Flora. Nun wird die Grenze etwa in der Mitte der Insel von Norden nach Süden verlaufen. Aber die Bewohnerinnen und Bewohner von Grönland und Nunavut werden trotz der Grenzziehung Bewegungsfreiheit auf der ganzen Insel haben, sollten sie von Tartupaluk aus fischen und jagen wollen. Der Premier von Nunavut, P.J. Akeeagok und der Präsident der kanadischen Inuit-Organisation Inuit Tapiriit Kanatami würdigten die Verständigung, die die Bindungen zwischen beiden Ländern und der indigenen Bevölkerung stärkten.
Neben der Beilegung des Streits um den Felsen im Meer wurde eine Vereinbarung über die annähernd 3000 Kilometer lange Meeresgrenze zwischen Kanada und Grönland-Dänemark von der nördlich von Grönland und der Ellesmere-Insel liegenden Lincoln-See durch die Nares Strait bis hinab in die Labrador-See erzielt. Mit der Vereinbarung hat Kanada auf der Insel Hans nun sogar eine einige Hundert Meter lange Landgrenze zu Europa. Im hohen Norden herrscht nun wirklich Frieden zwischen Grönland-Dänemark und Kanada.