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Skulptur der Liebe

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Ikone zum Verschicken: Robert Indianas „Love“-Stamp, in den USA erstmals 1973 erschienen. imago images
Ikone zum Verschicken: Robert Indianas „Love“-Stamp, in den USA erstmals 1973 erschienen. imago images © imago images

Vor 50 Jahren entwirft der Maler Robert Indiana eine Briefmarke, die bis heute – zigfach variiert – Kunst und Gefühl verbindet

Die Liebe ist ein zeitloses Thema – das wird auch deutlich beim Blick auf die Worte, mit denen die US-amerikanische Post im Januar 1973 für die frisch aufgelegte Briefmarke zum Valentinstag wirbt: „In der heutigen verwirrenden Welt ist das Thema der meisten Lieder, Gedichte, Erzählungen, Theaterstücke, Filme und sogar der Fernsehwerbung dasselbe wie in den Generationen zuvor: die Liebe.“ Gestaltet hatte die damals angepriesene Marke der Künstler Robert Indiana. Er nutzte für die Marke zu 8 Cent, die rechtzeitig vor dem Valentinstag am 26. Januar 1973 erschien, die zur Skulptur getürmten vier Buchstaben L O V E, die er einmal als Signatur seines Lebens bezeichnete.

Der Brauch, die Liebsten zum Valentinstag mit romantischen Gruß- und Postkarten zu erfreuen, hat sich nach der Erfindung der Briefmarke in England 1840 zunächst dort, dann vor allem in den USA als Massenphänomen etabliert. Und auch wenn heutzutage Grüße meist digital versendet werden: Nicht nur Liebende warten auf eine postalische Zuneigungsbekundung, auch freundschaftliche Grüße werden noch zu Abermillionen verschickt.

Robert Indianas „LOVE“ war in den USA der Start einer Erfolgsserie mit zahlreichen Briefmarken, die unter anderem Blumen, Herzen, Süßigkeiten oder Turteltauben zieren. Die Love-Marken in diesem Jahr stammen von Ethel Kessler, der Art Direktorin des United States Postal Service (USPS). Gemälde von Chris Buzelli – Welpe und Kätzchen, jeweils mit den Vorderpfoten auf einem Herz – erhielten dank Computertechnik ihre finale Gestalt.

Judy de Torok von der US-Post geht davon aus, dass „Puppy and Kitten“ – so der Titel der aktuellen Marke – es im Ranking der beliebtesten Love-Marken weit nach oben schaffen. Aber dass sie Indianas „LOVE“, das kleine „Multiple mit einer Auflage von 330 Millionen“, an Popularität toppen, ist eher unwahrscheinlich.

Im Unterschied zu vielen Valentinstag-Motiven, die seit 1982 regelmäßig aufgelegt wurden, war „LOVE“ von Robert Indiana bereits bekannt, als die Briefmarke im Januar 1973 erschien, als „a special stamp for someone special“.

Auftragsarbeit für das Moma

Indiana hatte das „Buchstabengedicht“ 1965 für eine Weihnachtskarte des Museum of Modern Art (Moma) als Auftragsarbeit geschaffen. Da die Karte den Copyright-Vermerk des Museums trug, besaß der Künstler nicht die alleinigen Nutzungsrechte am Schriftzug. In der Folge konnte „LOVE“, neben Adaptionen namhafter Künstlerinnen und Künstler, in der Werbung, auf Buch- und Plattencovern, auf Zeitschriften und Plakaten beliebig oft zitiert, kopiert und abgewandelt werden.

„LOVE“ zählt zu einer Reihe von Arbeiten, die mit Hilfe von Schablonen entstanden, wie sie einst für Nummern und Namen auf Frachtern und Lastwagen verwendet wurden. Diese Nummern und Buchstaben übereinander gestellt bezeichnete Indiana als „Skulpturengedichte“: „Für mich stellt das ‚Love‘-Gemälde ein Ein-Wort-Gedicht dar. Das ‚O‘ ist Teil einer typographischen Tradition – bei im Handsatz hergestellten Skripten ist das ‚O‘ gekippt. Das war ganz und gar nicht meine Erfindung. Ich habe einfach eine Tradition fortgeführt“, kommentierte Indiana einmal sein berühmtestes Bild, zu dem ihn ein „God is Love“ an der Wand der Christian Science Sonntagsschule, die er als Kind besuchte, inspiriert hat.

Die Farben waren eine Reminiszenz an ein Tankstellenschild, doch es gibt „LOVE“ in vielen Variationen: In Schwarz-Rot-Gold, als „The German Love“, erschien es 1968 als Teil eines Portfolios mit Serigrafien. 1991 malte der Künstler den Schriftzug „LOVE“ in Verbindung mit „WALL“ in roter Farbe auf ein Stück der Berliner Mauer. Als mehrere Meter hohe Skulptur aus Stahl steht „LOVE“ unter anderem in New York, Philadelphia und Tokio, als „AMOR“ in Mailand.

Indiana – geboren 1928 und 2018 gestorben – gilt nicht nur wegen seines gleichnamigen Bildes als Maler des American Dream. Neben „LOVE“ wurden Worte wie „EAT“, „HUG“ oder „DIE“ zum Gegenstand seiner ikonenhaften Bilder in plakativer Farbgebung. 2008 entwarf er „HOPE“, das auf Shirts und Pins die Präsidentschaftskampagne von Barack Obama begleitet hat. „I was hoping to help him“, sagte Indiana. „I was hoping Obama would fare well, and he did.“

Symbolischer Hintersinn

Zahlen sind nicht weniger wichtig im Werk des Künstlers – Zahlen aus ebenfalls hart gegeneinander komponierten Formen. Indiana stellte die „Numbers“ in Beziehung zu Ereignissen und Geburtsdaten und nutzte ihren symbolischen Hintersinn. „Historische Daten, die Nummern von Highways (66), Zahlen auf Spielautomaten, Gasuhren und Autoschildern stehen neben Worten aus Texten von Dichtern oder Worten, die er auf kommerziellen Schablonen fand, und werden miteinander verknüpft und in ein Netz aus Verweisen gewebt“, heißt es im Buch „Magie der Zahl in der Kunst des 20. Jahrhunderts“.

Adaptionen und Variationen gibt es in Hülle und Fülle, Kopien von „LOVE“ kursieren als Fußabstreifer und Schmuckanhänger. Die Band „Rage Against the Machine“ ließ als Hommage an Indiana „RAGE“ auf das 2000er Album „Renegades“ drucken. Die kanadische Künstlergruppe „General Idea“ verfremdete „LOVE“ 1987 zu „AIDS“, um mit Stickern, Postern und auch Fake-Briefmarken auf die Krankheit aufmerksam zu machen. Und schließlich ziert die „VELO“-Wortskulptur Flyer und Plakate der Fahrradmesse, die seit einigen Jahren in Frankfurt veranstaltet wird.

Die Deutsche Post hat zum Valentinstag keine Marke aufgelegt, aber romantische Sprüche und Geschenkideen ins Netz gestellt. Im Handel gibt es die 70-Cent-Marke mit Herz „für Liebesbriefe“, und wer gleich „Ja“ sagen möchte, kann auch das mit einer Briefmarke auf dem Postweg tun.

Zum Niederknien: Love-Skulptur in Tokios Shinjuku-Distrikt.
Zum Niederknien: Love-Skulptur in Tokios Shinjuku-Distrikt. © imago images

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