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Selbstschutz vor Wilderei

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Von: Johannes Dieterich

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Hat noch Stoßzähne: Elefant in einem Nationalpark in Mosambik. Imago Images
Hat noch Stoßzähne: Elefant in einem Nationalpark in Mosambik. Imago Images © Imago Images

In Mosambik kommen immer mehr Elefanten ohne Stoßzähne zur Welt.

Nashörnern werden in Südafrika die Hörner abgesägt, um sie vor Wilderern zu schützen. Elefanten haben derartigen Beistand nicht nötig: Manche der Tiere entwickeln erst gar keine Stoßzähne, um sich auf diese Weise vor Elfenbeinjägern zu schützen. Das hat ein Forscherteam im mosambikanischen Gorongosa Nationalpark herausgefunden, wo die Wilderei während des 15-jährigen Bürgerkriegs besonders verheerend wütete. Hatten sich beim Ausbruch des Kriegs 1977 noch mehr als 2000 Dickhäuter in dem Tierpark im Zentrum des südostafrikanischen Staats getummelt, waren es Ende des Jahrtausends lediglich noch 250. Gleichzeitig verdreifachte sich jedoch der Anteil weiblicher Elefanten, die zeitlebens ohne Stoßzähne blieben – von 18,5 auf mehr als 50 Prozent.

Ein „klassischer Fall von Selektion“, sagt Ryan Long, Professor für Wildtier-Wissenschaften an der Universität von Idaho und einer der Autoren der jüngst im „Science Magazin“ veröffentlichten Studie.

Im Gorongosa Nationalpark befand sich das Hauptquartier der Rebellentruppe Renamo, die sich unter anderem mit dem Verkauf von Elfenbein finanzierte. Da die Rebellen an Elefanten ohne Stoßzähne nicht interessiert waren, hatten diese eine fünf Mal größere Chance zu überleben, und konnten ihr Gen, das für das Ausbleiben der Stoßzähne verantwortlich ist, entsprechend häufiger vererben. Das Verblüffende sei, wie rasch sich die Selektion in diesem Fall ausgewirkt habe, sagte Long dem TV-Sender „CNN“: „Das lag daran, dass die Überlebenschance der Elefanten ohne Stoßzähne um ein Vielfaches höher lag.“

Mutation ändert Ernährung

Bislang kommen in der Natur nur weibliche Elefanten ohne Stoßzähne vor. Den Forschenden gelang es, das für die Mutation verantwortliche Gen ausfindig zu machen. Es befindet sich in einem der beiden X-Chromosomen der weiblichen Jumbos. Wird dieses an ein männliches Embryo weitergegeben, stirbt dieses noch im Mutterleib. Die Ursache dafür sei bislang nicht bekannt, heißt es in der Studie.

Inzwischen hat sich die Elefanten-Population im Gorongosa wieder etwas erholt: Derzeit werden dort knapp 800 Dickhäuter gezählt. Allerdings wirkt sich der hohe Anteil der stoßzahnlosen Frauen nun nachteilig für die Jumbo-Gemeinschaft aus, weil rund 50 Prozent ihrer männlichen Nachkommen schon vor der Geburt sterben. Außerdem hat die Mutation Auswirkungen auf das gesamte Biotop, weil Elefantenkühe ohne Stoßzähne ein anderes Fressverhalten haben. Außer zum Kämpfen und dem Graben von Wasserlöchern sind die Stoßzähne zum Fällen von Bäumen, zum Heben von Ästen und Entrinden von Stämmen nötig: Wer nicht über die Werkzeuge verfügt, ist auf eine andere Diät angewiesen – vor allem auf Blätter und Gras. Den Elefanten kommt in afrikanischen Busch- und Savannenlandschaften eine besondere Rolle zu: Sie sorgen dafür, dass sich der Busch nicht zum Wald verdichtet.

„Stoßzahnlosigkeit mag während eines Bürgerkriegs von Vorteil sein“, meint Professor Robert Pringle von der Princeton Universität und Co-Autor der Studie: „Das kommt allerdings mit einem Preis.“ In friedlichen Zeiten wirke sich das Fehlen der Werkzeuge eher nachteilig aus, weswegen die Selektion dann umgekehrt verlaufe.

Solange die Wilderei unter Kontrolle bleibe, werde sich der Anteil der Dickhäuter mit Stoßzähnen deshalb wieder erhöhen, sagt Pringle voraus: „Es gibt auch einige Lichtblicke in den ansonsten so deprimierenden Nachrichten aus der Welt der Natur.“

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