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Schlicht, aber ergreifend

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Von: Felix Lill

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Halb Hund, halb Kissen, und offenbar ganz auf Empathie eingestellt. panasonic
Halb Hund, halb Kissen, und offenbar ganz auf Empathie eingestellt. panasonic © Panasonic

In Japan kommt ein Roboter auf den Markt, der nicht mit Leistung beeindrucken, sondern Gefühle wecken soll.

Spricht man ihn an, piepst er freundlich „Konnichiwa“. Und wenn das knuffige kleine Kerlchen mit seinen Knopfaugen zu einem aufsieht und mit seinem Stummelschwänzchen wedelt, dürfte es nicht nur Menschen, die Hunde mögen, ganz warm ums Herz werden. Nicobo heißt das Kerlchen, von dem hier die Rede ist. Außer niedlich in die Gegend gucken und „Danke“ oder „Ich bin müde“ sagen kann dieses kleine, runde Ding zwar nicht viel, und doch ist Nicobo sozusagen die jüngste Robotersensation aus Japan.

Der Techkonzern Panasonic, der von feinen Rasierern, hochauflösenden Kameras bis zu High-End-Fernsehern alle möglichen technologisch anspruchsvollen Produkte herstellt, bewirbt ihn als „yowai robotto“, einen schwachen Roboter – also ein Gerät ohne besonders viele Funktionen und Fähigkeiten. Und das, davon ist man im Hause Panasonic erstaunlicherweise überzeugt, wollen die Menschen heutzutage unbedingt haben.

Ob die Verantwortlichen in den Entwicklungs- und Marketingabteilungen damit richtigliegen, wird sich noch zeigen. Das schon vor zwei Jahren auf der Website des Konzerns aus dem westjapanischen Osaka angekündigte Produkt kommt in Japan Mitte Mai in den Handel. Aber schon jetzt sorgt Nicobo für reichlich Gesprächsstoff. Von einem „beruhigenden Roboter“ schwärmt die führende Tageszeitung „Yomiuri Shimbun“. Die Wirtschaftszeitung „Nikkei“ beschreibt ihn als einen Roboter, „der Sie zum Lächeln“ bringt. Und „Tokyo Shimbun“ meint, Nicobo wecke die Freundlichkeit in den Menschen.

Bei diesem Roboter stehen tatsächlich nicht dessen Fähigkeiten, sondern seine Schwächen im Vordergrund. Das Japanisch, das Nicobo spricht, ist eher gebrochen. Dieser Roboter hat auch keine künstliche Intelligenz, anhand derer er seine Menschen über die Zeit gut kennenlernen, sich auf sie einstellen und diesen gut bei irgendwas helfen könnte. Er ist dafür designt, Mitgefühl und Fürsorglichkeit zu erzeugen. Denn Roboter mit diesen Fähigkeiten – so glaubt man bei Panasonic – gibt es bisher zu wenige.

Tatsächlich passt Nicobo kaum ins Muster bisheriger Entwicklungen aus Japan. In dem Land, das über die vergangenen Jahrzehnte für diverse Wirtschafts- und Sozialbereiche neue Roboter auf den Markt gebracht hat, galt bisher: leistungsfähigere Prozessoren und feinere Sensoren entwickeln, um intelligentere, schnellere oder stärkere Roboter erschaffen zu können. So sorgte im Herbst vergangenen Jahres der sozial intelligente Roboter Erica für Verblüffung. Die Entwicklung der Universität Kyoto schaffte es, verschiedene Lachtypen ihres Gegenübers einzuordnen und entsprechend zu reagieren. Es könnte der Beginn von Robotern sein, die Witze verstehen.

Ein Jahrzehnt zuvor wurde Hiroshi Ishiguro von der Universität Osaka zu einem Star der Robotik, als er mit dem „Geminoid“ seinen Roboterzwilling vorstellte. Das Wesen war der Versuch, eine dem menschlichen Gesicht möglichst ähnliche Mimik zu konstruieren. Insofern wollte Ishiguro die für androide Roboter große Herausforderung des „Tals des Unheimlichen“ bewerkstelligen – dass Roboter, die dem Menschen ähnlich sind, auf Menschen oft gruselig wirken.

Auch die Roboter, die in diversen Wirtschaftsbranchen eingesetzt werden, von Landwirtschaft bis Gesundheitswesen, sind zusehends leistungsfähig. Die Firma Cyberdyne brachte vor einigen Jahren ein mit zahlreichen Sensoren ausgestattetes Exoskelett auf den Markt, mit dem Menschen mit lahmen Beinen wieder laufen lernen können. Während der Pandemie nahm ein Ernteroboter die Arbeit auf, der schneller Äpfel pflücken kann als jeder Mensch und außerdem bemerkt, wenn sein Apfelcontainer voll ist.

Nicobo kann all das nicht. Er sitzt nur da, brabbelt und blinzelt vor sich hin. Aber gerade im Kontext einiger sozialer Entwicklungen in Japan könnte in Nicobos Niedlichkeit der Schlüssel zum Erfolg liegen. Einerseits nimmt inmitten der alternden Bevölkerung die Zahl der einsamen Seniorinnen und Senioren zu. Andererseits steigt gerade in den Metropolen die Zahl jüngerer Erwachsener, die alleinstehend sind. Sieht man sich die PR-Videos von Panasonic an, wird auch diese Zielgruppe ins Visier genommen.

Pupsen kann er. Immerhin

Aber hat Nicobo wirklich gar keine besonderen Fähigkeiten? So ganz richtig wäre dieser Eindruck nicht. Wenn man sein kurzes Fell berührt, wackelt er mit seinem Schwanz und macht eine freundliche Geste. Neben dem bisschen Japanisch, das er beherrscht, murmelt Nicobo noch in der Fantasiesprache „moko“ vor sich hin – wobei niemand beurteilen kann, wie gut er „moko“ spricht.

Und dann ist da doch noch eine Fähigkeit, die wohl kein anderer Roboter hat: Nicobo kann pupsen – freilich ohne dass es stinkt. Und wer weiß, vielleicht finden manche Menschen allein das schon so niedlich menschlich, dass sie der stolze Preis von umgerechnet rund 400 Euro nicht vom Kauf abhalten kann.

Ist weniger vielleicht doch mehr? Nicobo (r.) kann nicht viel und ist auch sonst sehr genügsam. panasonic
Ist weniger vielleicht doch mehr? Nicobo (r.) kann nicht viel und ist auch sonst sehr genügsam. panasonic © Panasonic

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