Satire mit Biss

Piratenhut, Nudelsieb und Al-dente-Teigwaren stehen bei den Gläubigen hoch im Kurs. Im brandenburgischen Templin huldigt eine Kirche dem „fliegenden Spaghettimonster“. Ein Ortsbesuch von Dirk Engelhardt.
An Skurrilität kann diese Kirche weltweit wohl kaum jemand überbieten. Die Mitwirkenden, vulgo Gläubigen, der Kirche des heiligen Spaghettimonsters nennen sich Pastafari. Wer mit dem Auto nach Templin fährt, sieht neben den üblichen Schildern der katholischen und der evangelischen Kirche, die auf den Gottesdienst und die Heilige Messe hinweisen, auch ein offizielles Schild der Kirche des fliegenden Spaghettimonsters. Diese feiert ihre Nudelmesse nicht, wie bei anderen Kirchen üblich, am Sonntag, sondern am Freitag, um 10 Uhr.
Wegen dieses Schildes, so erzählt Bruder Spaghettus, Mitbegründer und Ehrenvorsitzender der Kirche, gab es im Rathaus von Templin einige Reibereien. Bruder Spaghettus heißt in Wirklichkeit Rüdiger Weida, ist 72 Jahre jung und Satiriker, Blogger sowie Aktionskünstler.
Letztlich habe sein Verein bei dem Streit gesiegt, das Schild ist nun gesichert. „Und Templin sollte sich darüber freuen, denn die Kirche ist ein nicht unerheblicher touristischer Anziehungspunkt und hat Templin schon einige Hunderttausend Euro an Werbung erspart“, ist sich Spaghettus sicher.
Mit seinem weißen Rauschebart und den klugen Augen wirkt er durchaus erhaben, er könnte gut und gerne auch als griechischer Bischof durchgehen. Spaghettus bewohnt mit seiner Frau ein altes Aussiedlerhaus in der Nähe von Templin. Im ehemaligen Stall ist die „Kirche“ untergebracht. Im Sommer kommen immer einige Gäste zur Messe, meist Tourist:innen, in den Wintermonaten ist dagegen eine einzige Teilnehmerin oder ein einziger Teilnehmer schon viel. Da der Stall nicht geheizt ist, versucht Bruder Spaghettus, die Nudelmesse nicht unnötig in die Länge zu ziehen.
Auf dem Altar stehen Geschenke von Gläubigen, unter anderem eine kunstvoll geschnitzte Skulptur aus – Pasta! Auch Reliquien gibt es, bei den Pastafari sind dies: Nudeln. Für die Messe hat sich Bruder Spaghettus ein Messgewand übergeworfen, das ihn mit seiner Leibesfülle ehrerbietig aussehen lässt.
Er instruiert die Gläubigen vorab, dass die Formel während der Messe nicht „Amen“ heißt, sondern „Ramen“. Dabei faltet man nicht die Hände, sondern hakelt die Daumen umeinander und lässt die übrigen acht Finger flattern, was am Anfang etwas Übung erfordert, jedoch immer für Heiterkeit sorgt.
Ach ja, und ohne Kopfbedeckung darf niemand der Messe beiwohnen. Bei den Pastafari ist diese ein Piratenhut, verschiedene Modelle stehen für Gäste bereit. Nach Ansicht der Pastafari waren Piraten brave Seefahrende, die Kinder gerne mit Süßigkeiten überraschten. Die Behauptung, sie wären gefährliche Räuber der Meere gewesen, halten die Pastafari für eine der vielen Geschichtsfälschungen der Kirche.
Verschiedene Mitglieder der Kirche des fliegenden Spaghettimonsters haben sich schon mit Kopfbedeckungen wie Nudelsieben oder Piratentüchern fotografieren lassen, was für gehörigen Wirbel in der weltweiten Gemeinde sorgte. Und Meldeämter hatten einigen Ärger mit Pastafari, die unbedingt auf ihrem Personalausweis ein Foto mit Piratenhut oder Nudelsieb haben wollten, was stets negativ beschieden wurde.
Pastafari haben also einen speziellen Humor, Fans von Monthy Python oder Douglas Adams sind in dieser Kirche bestens aufgehoben. Die Quatsch-Religion, die Gaga-Kirche, wie sie in Zeitungen oft genannt wird, wurde 2006 von Bobby Henderson in den USA gegründet. In jenem Jahr veröffentlichte Henderson, damals 26 Jahre alt, ein Buch mit dem Titel „Evangelium des fliegenden Spaghettimonsters“.
Es fußt auf dem Streit, den es damals im US-Bundesstaat Oregon um Lehrpläne des Biologie-Unterrichts gab, wobei erstmals die kreationistische Pseudowissenschaft „Intelligent Design“ unterrichtet werden sollte. Diese harmoniert mit den Kreationist:innen, die der Auffassung sind, dass sich das Leben auf der Erde nur durch einen intelligenten Urheber erklären lässt, und nicht durch natürliche Selektion.
Henderson sprach sich für die Evolutionstheorie aus und forderte vom damaligen US-Präsidenten George W. Bush, wenn er sich so offen gegenüber alternativen Theorien der Weltentstehung zeige, dann solle doch auch bitte die Lehre vom fliegenden Spaghettimonster auf den Lehrplänen stehen.
Das Medienecho auf diese Neugründung war damals gewaltig, es gründeten sich weltweit Spaghettimonster-Niederlassungen. In Deutschland gibt es die Kirche des fliegenden Spaghettimonsters seit 2011 als offiziell eingetragenen Verein.
Derweil ist die Nudelmesse in vollem Gange. Bruder Spaghettus hat für alle Teilnehmenden eine köstliche Spaghetti-Nudel weichgekocht, die, ähnlich wie die Hostie in der katholischen Kirche, andachtsvoll hineingeschlürft wird. Danach sollte mit einem „Ramen“ gedankt werden.
Statt Messwein gibt es ein Regal mit guten Bieren vom Biervulkan, einem Hügel, der sich im Garten hinter der Kirche befindet. Auch ein alkoholfreies ist dabei. Mit einem Schluck aus einem edlen Zinnbecher wird die Nudel dann hinuntergespült. Das Ganze ist also auch für Veganer:innen gut verträglich.
Lieder gibt es natürlich auch, etwa: „Der Mond ist aufgegangen“, von den Profiteroles, „Ein bissfest Burg“ von Käpt’n Kaos, oder „Arrrgh, spricht der Pirat“ von Capitano Della Benkel. Mindestens eins davon wird in der Nudelmesse gesungen, wenn auch ohne Orgel. Das Glaubensbekenntnis liest Bruder Spaghettus ehrfürchtig von einer bereitliegenden Nudelrolle ab, die irgendwie an eine Thora erinnert.
„Weinachten“ gibt es übrigens auch bei den Pastafari, die gleich klar stellen, dass es nichts mit dem „Weihnachten“ der christlichen Kirche zu tun hat. Die habe nur das alte Fest gekapert und verfälscht. Statt des Weihnachtsbaumes nutzen Pastafari den Mastbaum, den sie mit Kerzen schmücken. Mehrere Flaschen Wein gehören zum Fest immer dazu, deshalb: „Weinachten“.
Menschen, die sich leicht an Blasphemie stören, sollten sich gut überlegen, ob sie die Nudelmesse wirklich besuchen wollen. Denn das „Monsterunser“, das dort gebetet wird, hat es in sich. Es fängt an mit „Monster unser, das du bist im Himmel, geheiligt werden deine Anhängsel. Deine Piraten kommen, Deine Soße geschehe ...“, um dann zu schließen mit: „denn dein ist die Soße und der Käse und die Fleischklößchen in Ewigkeit. Ramen.“
Nach der kurzweiligen Messe können die Besucher:innen noch ein wenig im uckermärkischen Garten hinterm Haus spazieren gehen, der von Bruder Spaghettus liebevoll gepflegt wird. Grundsätze der Pastafari sind in einer Broschüre, die vor der Kirche ausliegt, zusammengefasst. Da heißt es, dass die Vollendung der Trennung von Kirche und Staat gewünscht sei, man tritt für verpflichtenden Ethikunterricht statt Religionsunterricht ein, sei für eine offene Gesellschaft, für Al- dente-Teigwaren und Party.
Was man gar nicht mag: Stammtischparolen, jährliche Staatsleistungen an Kirchen, Gottesbezug in der deutschen Verfassung, Fundamentalismus und gesetzlichen Sonderschutz religiöser Gefühle. Und natürlich humorlose Typen auf allen Ebenen, wie leicht süffisant angemerkt wird.
Im Gegensatz zu den Großkirchen, die in Deutschland jährlich mit rund 19 Milliarden Euro alimentiert werden, erhält die Kirche des fliegenden Spaghettimonsters keinen Cent an Zuwendungen. Was sie für manche sympathisch macht, andererseits müssen Bruder Spaghettus und seine Getreuen auch von irgendwas leben. Spenden werden deshalb dankend angenommen, die Nummer des Bankkontos findet sich auf der Internetseite.
Zu guter Letzt bändigen die Pastafari auch noch die globale Erwärmung. Klimschützer:innen sollten also schnell Kontakt zu ihnen suchen. „Piraten sind notwendig, um das Erdklima zu regulieren. Was sich wissenschaftlich belegen lässt“, lassen sie verlauten. Dazu halten die Pastafari eine wissenschaftliche Grafik bereit, die eindeutig belegt, dass die Temperatur umso höher steigt, je weniger Piraten es gibt.