Resturlaub verfällt nicht automatisch: Das müssen Arbeitnehmende jetzt wissen
Dass Resturlaub nicht mehr automatisch verfällt, kann künftig enorme Konsequenzen für Arbeitnehmende haben: Ein Überblick.
Frankfurt/Erfurt – Das Bundesarbeitsgericht hat in einem Grundsatzurteil entschieden, dass Resturlaub von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nur noch unter speziellen Bedingungen verjähren kann: Was das konkret bedeutet, erfahren Sie im kompakten Überblick.
Resturlaub verfällt nicht mehr automatisch: Das sollten Sie beachten
- Der Stand bislang: Laut der „alten“ Regelung verjährte Resturlaub nach drei Jahren. Falls Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer es versäumten, den Urlaub zu nehmen, verfiel er schlichtweg.
- Der Stand laut Urteil: Arbeitgeber müssen ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer rechtzeitig laut der „neuen“ Regelung dazu auffordern, den gesammelten Urlaub zu nehmen. Sonst kann der Anspruch darauf deutlich länger als bisher bestehen bleiben. Nun beginnt die dreijährige Verjährungsfrist laut einer Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts „erst am Ende des Kalenderjahres, in dem der Arbeitgeber den Arbeitnehmer über seinen konkreten Urlaubsanspruch und die Verfallfristen belehrt und der Arbeitnehmer den Urlaub dennoch aus freien Stücken nicht genommen hat“.
- Wann verfällt Urlaub? Das Bundesurlaubsgesetz regelt, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer jährlich Anspruch auf Urlaub haben – wie viel, ist abhängig vom Vertrag. Der Urlaub muss im entsprechenden Kalenderjahr genommen werden. Dass Urlaub in das neue Jahr „mitgenommen“ wird, ist im Gesetz nicht vorgesehen. Nur in Ausnahmefällen ist dies möglich, allerdings unter der Bedingung, dass er bis zum März des Folgejahres genommen wird. Für eine „Mitnahme“ von Urlaub müssen jedoch „dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe“ vorliegen, heißt es im Gesetz.
- Urlaubsanspruch bei Krankheit: Erkranken Angestellte langfristig, erlischt der Urlaubsanspruch künftig 15 Monate nach Ablauf des Jahres, statt wie bislang nach drei Jahren: Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshof muss anerkannt werden, welche Schwierigkeiten sich für Arbeitgeber ergäben, wenn Angestellte lange Zeit am Stück fehlen und Urlaubsansprüche ansammeln. Daher sei es grundsätzlich richtig, dass bei Krankheit die Urlaubsansprüche nur 15 Monate übertragen werden können und danach verfallen. Dies gilt aber nicht für Ansprüche aus dem Zeitraum vor oder nach der Krankheit, in dem die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer tatsächlich gearbeitet haben.
Urteil zum Resturlaub: Worum ging es überhaupt?
Grundlage des Gerichtsprozesses des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt waren zwei Fälle, beide aus Nordrhein-Westfalen. Im ersten Fall hatte eine Steuerfachangestellte geklagt, die insgesamt 101 Urlaubstage gesammelt hatte. Als Begründung, warum sie den Urlaub nicht genommen hatte, gab sie die jahrelange, hohe Arbeitsbelastung an.
Im zweiten Fall klagte eine Krankenhausangestellte, die ebenfalls zahlreiche Urlaubstage angesammelt hatte, die letztendlich verfielen. Als Begründung, warum sie diese nicht genommen hatte, gab sie eine längere Krankheit an. In beiden Fällen ließen die Arbeitgebenden die Urlaubsansprüche verfallen, es kam zu Klagen.

Welche Konsequenzen das Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt haben kann, zeigt der Fall der Steuerfachangestellten aus NRW. Sie erhält von ihrem ehemaligen Arbeitgeber 17.376,64 Euro brutto.
Weitere Angestellte, die „alte“ Urlaubsansprüche haben, können deshalb nun auf ähnliche Auszahlungen hoffen: Das Bundesarbeitsgericht nannte im Urteil keine Einzelheiten zur Beweispflicht; also der Frage, wer nachweisen muss, ob der Arbeitgeber auf die Verjährung seines Urlaubs hingewiesen hat – oder nicht. Entscheidend bleibt daher ein Rechtsspruch des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) aus dem Jahr 2018, der diese Pflicht dem Arbeitgeber zuwies: Unternehmen müsste im Streitfall beweisen können, ihre Angestellten belehrt zu haben, urteilte das EuGH damals und empfahl Arbeitgebern, diese Belehrungen zur besseren Beweisbarkeit schriftlich durchzuführen.
Resturlaub: Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist Umsetzung von europäischem Recht
Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt ist schlichtweg die Umsetzung dessen, was der Europäische Gerichtshof bereits im September im Urteil erklärt hatte. Demnach müssen Arbeitgeber eine aktive Rolle im Kontext des Urlaubsanspruchs und der Umsetzung spielen. Kommen Arbeitgeber dieser Pflicht nicht nach, besteht der Anspruch auf Urlaub noch länger. Konkret geht es um die eingangs erwähnte Informationspflicht seitens des Arbeitgebers.
Reaktionen auf Urteil: Resturlaub verjährt nicht mehr automatisch
Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts rief beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) Zustimmung hervor: „Das Bundesarbeitsgericht hat heute bestätigt was der europäische Gerichtshof bereits festgestellt hat: Beschäftigte brauchen ihren Urlaub, um gesund zu bleiben“, sagte Anja Piel, Vorstandsmitglied des DGB, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. „Keinesfalls dürfen Arbeitsüberlastung, Angst vor Repressionen, aber auch Krankheiten und Erwerbsminderung dazu führen, dass Beschäftigte ihren Urlaub nicht nehmen“, betonte sie.
Das am Dienstag (20. Dezember) gefällte Urteil des Bundesarbeitsgerichts hat hingegen keine Auswirkungen auf Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Elternzeit nehmen: Was Sie dazu wissen müssen. (tu mit dpa/AFP)