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Reise ins Unbekannte

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Von: Pamela Dörhöfer

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Jupiter und sein Mond Ganymed in einer künstlerischen Darstellung der Esa. esa
Jupiter und sein Mond Ganymed in einer künstlerischen Darstellung der Esa. © Esa

Die europäische Raumsonde „Juice“ beginnt ihre Mission zu Jupiter und seinen Monden - sie soll auch nach Hinweisen auf Leben suchen.

Nun ist sie auf dem Weg, um mehr als 600 Millionen Kilometer von der Erde entfernte, bislang unbekannte Welten im äußeren Sonnensystem zu erkunden: Mit 24 Stunden Verzögerung wurde die Jupitersonde „Juice“ der europäischen Weltraumorganisation Esa am Freitag, den 14. April um 14:14 Uhr mitteleuropäischer Sommerzeit vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guyana aus mit einer Ariane 5-Rakete ins All geschossen. Der ursprünglich für Donnerstag vorgesehene Start musste wegen eines aufziehenden Gewitters und der drohenden Gefahr eines Blitzeinschlags um einen Tag verschoben werden.

27 Minuten nach dem Abheben trennte sich die Raumsonde wie geplant von der finalen Stufe der Trägerrakete (die am Freitag zum letzten Mal in Diensten der Esa abhob, bevor sie im Herbst von ihrer Nachfolgerin Ariane 6 abgelöst wird). „Ein perfekter Start“ freute man sich beim Raumflugkontrollzentrum Esoc in Darmstadt – wo es dann doch noch einmal kurzes Luftanhalten gab. Denn mit dem Senden des Signals, das anzeigt, dass die Raumsonde „lebt“, ließ sich „Juice“ Zeit. Das erlösende Zeichen kam erst um 15:04 Uhr, empfangen über die Bodenstation New Norcia in Australien, rund zehn Minuten später als erhofft, sorgte dann aber für umso größeren Jubel, als die Anspannung wich.

Dafür entfalteten sich die 27 Meter langen Solarpaneele etwa eine Viertelstunde früher als erwartet, um 15:33 Uhr, und formierten sich zu ihrer charakteristischen Kreuzform. Ein ebenfalls heikler Moment in dieser Anfangsphase der Mission. Ohne die riesigen Solarsegel könnte die Sonde ihre mehrere Milliarden Kilometer umfassende Reise nicht schaffen. Die führt sie die sie nicht auf direktem Wege, sondern über eine komplexe Route ins äußere Sonnensystem. Mehr als acht Jahre benötigt „Juice“ dafür. Dreimal, im August 2024, im September 2026 und im Januar 2029, wird die Sonde wieder an der Erde vorbeifliegen, beim ersten Mal auch noch den Mond „mitnehmen“ und im August 2025 zudem die Venus passieren.

Mit einem Tag Verspätung startet die Raumsonde am Freitag. jody amiet/AFP
Mit einem Tag Verspätung startet die Raumsonde am Freitag. © afp

Die Rückkehr zu Erde und Mond ist nötig, damit die Sonde durch deren Gravitation per Schwerkraftumlenkung Energie gewinnen und Treibstoff sparen kann, wie Simon Plum, Leiter des Missionsbetriebs, erläutert. Anders als die Sonde „Europa Clipper“ der US-Raumfahrtbehörde Nasa, die im Herbst 2024 zum Jupitermond Europa aufbrechen und dort bereits ein Jahr vor der Esa-Sonde ankommen soll, kann „Juice“ den größten Planeten unseres Sonnensystems und seine Monde nicht direkt ansteuern. „Das ist nicht möglich, weil unsere Sonde auch durch die vielen wissenschaftlichen Instrumente mehr Gewicht hat“, erklärt Plum.

Sechs Tonnen brachte „Juice“ beim Start auf die Waage, wobei allein der Vorrat an Treibstoff mit drei Tonnen zu Buche schlägt. Mit an Bord sind insgesamt zehn wissenschaftliche Instrumente, von denen ein Teil auch andere Weltraumbehörden wie die Nasa, die japanische Jaxa und die israelische Isa beigesteuert haben. „Juice“ soll damit nicht nur einen einzelnen Himmelskörper erforschen, sondern das gesamte Planetensystem, zu dem neben dem hell an unserem Nachthimmel leuchtenden Gasriesen noch rund hundert Monde gehören, die ihn umkreisen. Außer Jupiter – geplante Ankunft: Juli 2031 – stehen vor allem die Eismonde Ganymed, Europa und Callisto im Fokus. Ganymed soll zum Schluss mit einem großen Manöver noch einmal gesondert angesteuert werden, wie Olivier Witasse, Esa-Projektwissenschaftler für „Juice“, sagt. Der größte der Jupitermonde wird zugleich die Endstation der Mission sein: 2035 soll die Sonde über Ganymed abstürzen und auf dessen eisiger Oberfläche ihre letzte Ruhestätte finden.

Ein Hauptziel der Mission ist es, herauszufinden, ob auf Ganymed, Europa und Callisto Leben – zumindest in einfachster Form – möglich sein könnte. Zwar sind die drei Monde mit einer dicken Eiskruste überzogen, aber darunter verbergen sich Meere aus Salzwasser, wie frühere Jupitermissionen zeigten; sie alle sind weitaus größer als die Ozeane der Erde. Laut einer in der Wissenschaft favorisierten Theorie soll auf unserem Heimatplaneten das Leben in den Tiefen der Ozeane entstanden sein. Konkret nach Leben suchen soll „Juice“ jedoch nicht – wohl aber nach Molekülen, die als Hinweisgeber für dessen Existenz dienen könnten. Als aussichtsreicher Kandidat für Leben gilt bislang der Mond Europa. Ganymed ist vor allem deshalb von besonderen Interesse, weil er als einziger Mond im Sonnensystem über ein Magnetfeld verfügt. Weitere Ziele der Mission sind es, ein besseres Verständnis des Aufbaus der Eismonde – über den man bisher so gut wie nichts weiß – und des Jupitersystems in seiner Gesamtheit zu gewinnen. Letzteres könnte auch Erkenntnisse zu noch viel weiter entfernteren Planeten im Universum liefern. Denn Jupiter gilt als „Musterbeispiel“ eines Gasriesen. Bei vielen außerhalb unseres Sonnensystems entdeckten Exoplaneten handelt es sich um solche Gasriesen.

Für die Esa ist die Reise zu Jupiter und seinen Monden die bisher aufwendigste Planetenmission, konzipiert bereits vor Jahrzehnten. Diese Tatsache und die ambitionierten Ziele brachten Generaldirektor Josef Aschbacher ins Schwärmen. Er sprach vom „Können und der Leidenschaft aller, die am Bau dieses unglaublichen Fluggeräts“ beteiligt waren“, von „der Tatkraft unseres Flugbetriebsteams und der Neugier der weltweiten Wissenschaftsgemeinde“, die den „spektakulären Start von Juice“ begleitet hätten.

Rund eine halbe Stunde nach dem Start übernahm das Esoc in Darmstadt die Kontrolle von „Juice“. Bis zum Missionsende werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Sonde nun rund um die Uhr begleiten. „Wir stehen in ständiger Funkverbindung“, sagt Simon Plum. Auch wenn es für Nicht-Fachleute kaum vorstellbar ist: Selbst aus vielen Millionen Kilometern Entfernung kann man von Darmstadt aus noch eingreifen, sollte es draußen im Sonnensystem bei der Mission irgendwo haken.

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