Reine Geschmackssache

Süß, salzig, sauer oder bitter – das kann jeder unterscheiden. Bei der fünften Geschmackqualität „umami“ wird’s schwierig.
Der fünfte Geschmack ist nicht so leicht zu fassen. Von süß, sauer, salzig und bitter hat jede und jeder eine konkrete Vorstellung. Aber was ist mit „umami“? Der Koch Heiko Antoniewicz, der ein Buch zu dem Thema herausgebracht hat, bezeichnet ihn als den „besonderen „Lecker-Effekt“.
Das Wort „süß“ wird sofort mit Dingen wie Zucker, Schokolade, Süßigkeiten oder Früchten assoziiert, sagt die in New Yorker Kochbuchautorin Raquel Pelzel. Bei „umami“ hingegen herrscht für viele Menschen erstmal Ratlosigkeit. Der Begriff werde beispielsweise als „fleischig“, „käsig“, „erdig“ oder „rauchig“ übersetzt.
Meist wird der Begriff mit der asiatischen Küche in Zusammenhang gebracht. Dort wird schon lange darauf geachtet, Gerichten Umami-Geschmack zu verleihen. Doch auch anderen Küchen ist er nicht fremd. „Jedes Lebensmittel hat einen bestimmten Umami-Gehalt“, sagt Antoniewicz, der Koch.
Typische Umami-Träger sind getrocknete Steinpilze, Parmesan oder Oliven. Die Beispiele deuten an, dass sich der Geschmack auf verschiedene Art erzeugen lässt – etwa durch Trocknen, Fermentieren, Kochen, Schmoren, Reifung.
In der asiatischen Küche werden häufig würziger Sud oder Soße verwendet – doch nicht nur dort. „Schon die Griechen und Römer haben Fischsoßen zubereitet“, so Antoniewicz. Auch lange geköchelte Eintöpfe oder gereifter Schinken hätten einen hohen Umami-Gehalt. Und „eine über Stunden gekochten Bolognese ist eine richtige Umami-Bombe.“
Röstaromen sind Umami-Lieferanten
Mit Zeit und Geduld lässt sich also viel erreichen. „Jeder weiß: Eine Erbsensuppe schmeckt nach dem dritten Aufkochen am besten“, sagt der Koch. Selbst wenn sie beim zweiten Mal etwas anbrennt, trage das zum Geschmack bei. Denn auch Röstaromen sind Umami-Lieferanten.
Das bedeutet: Jede und jeder kennt eigentlich Umami als Geschmack, doch um ihn zu erkennen und zu unterscheiden, braucht es Übung. Er selbst sei über die Fermentation zum Thema gekommen, so Antoniewicz. „Tiefer eingestiegen bin ich, als ich vor zehn Jahren zum ersten Mal Fischsoße hergestellt habe.“
In Antoniewicz‘ Buch erklärt ein Gastrosoph den Ursprung des Begriffs. Anfang des 20. Jahrhunderts erforschte der japanische Chemiker Kikunae Ikeda den Wohlgeschmack. Er extrahierte aus essbaren Algen kristallines Mononatriumglutamat und nannte die geschmacksverstärkende Wirkung „Umami“ – ein Kunstwort aus den japanischen Begriffen für „köstlich“ und „Geschmack“.
Diverse natürliche Umami-Träger können gut zusammengestellt werden. So hat auch Raquel Pelzel angefangen zu experimentieren. Die Kombination von Umami-Zutaten wie Pilzen und Sojasoße oder Käse und Tomaten, spielt in ihrem Buch „Umami Bomb“ eine große Rolle. Die Autorin gibt Tipps, wie sich mit einfachen Mitteln große geschmackliche Wirkungen erzielen lassen.
Ein Beispiel wäre Rauchsalz, das über Bratkartoffeln gestreut wird, oder selbst gemachtes Pesto, dem ein Löffel Miso-Paste hinzugefügt wird. „Man kann auch Umami-Geschmack erzeugen, indem man Pilze und Zwiebeln kurz anbrät und karamellisiert.“ Bei vielen Gerichten lasse sich am Ende durch einen Schuss Sojasoße der Umami-Faktor verstärken.
Kochbücher mit japanischen und veganen Gerichten
Durch solche Tricks werde der Geschmack runder und tiefer, sagt Pelzel. In ihrem Buch konzentriert sie sich auf vegetarische Gerichte. „Viele von uns wollen weniger Fleisch essen, aber viele Menschen, die zu Hause kochen, empfinden Gemüse als langweilig oder zu schlicht“, erklärt sie. Deswegen habe sie eine vielschichte Sammlung vegetarischer Gerichte kreieren wollen.
Laura Welslau und Jasmin Erler alias Minii gehen noch weiter. Die Autorin und die Kommunikationsdesignerin haben im Eigenverlag zwei Kochbücher mit japanischen, veganen Gerichten herausgegeben. Mit dem zweiten Band standen sie 2019 auf der Shortlist des Deutschen Selfpublishing-Preises.
Als Titel der Reihe wählten sie „Umami“. Sie haben zeigen wollen, dass man diesen Geschmack auch ohne tierische Produkte erzeugen kann, berichten die beiden Autorinnen. Laura Welslau hat in Düsseldorf „Modernes Japan“ studiert – und liebt wie Jasmin Erler die japanische Küche.
Als die beiden begannen, sich vegan zu ernähren, wurde es mit japanischen Gerichten schwieriger. Deshalb fingen sie das Experimentieren an. „Wir haben auch vieles gemacht, was nicht funktioniert hat“, sagt Erler. Besonders kompliziert sei alles gewesen, was mit Ei zu tun hat, so Welslau.
Aber im Laufe der Zeit fanden die beiden Varianten, die sie überzeugten – auch für die Fischbrühe Dashi, die vielen Gerichten Umami-Geschmack verleiht. Die Autorinnen kochen sie mit getrockneten Shiitakepilzen und Algenblättern. Als Umami-Verstärker verwenden sie häufig Sojasoße. Wie bei allen Geschmacksrichtungen reiche Umami allein allerdings nicht aus, sagt Heiko Antoniewicz.
Die Kunst des Kochens bestehe darin, unterschiedliche Geschmacksakzente zu kombinieren und sie in eine harmonische und spannende Verbindung zu bringen. Der Vorteil an Umami: Wer stärker auf diesen Geschmack setze, könne stattdessen beim Salz sparen. „Umami hat eine schöne Eigenschaft: Es potenziert alle anderen Geschmäcker – außer Bitterstoffe, die reduziert werden.“ (dpa)